Uniqa-Vorstand Kurt Svoboda empfindet die hohen Kosten durch das regulatorische Umfeld als Belastung, sieht darin aber auch Vorteile durch den Zwang zu Risikomanagement.

STANDARD: Das niedrige Zinsumfeld macht es für Versicherungen derzeit schwierig, kontinuierlich hohe Verzinsungen für Lebensversicherungsverträge zu erwirtschaften. Wie sehen Sie da die Situation?

Svoboda: Nun, die Schule, dass man ein hoch verzinstes Produkt verkauft, das noch dazu mit einem Steueranreiz oder Zuschüssen des Staates ausgestattet ist, das ist natürlich vorbei, das funktioniert nicht mehr. Man muss natürlich zwischen dem Lebensversicherungsbestand und den Neukunden unterscheiden. Letzteres ist einfacher zu handhaben – auch, weil die Kunden anders denken als in der Vergangenheit und flexibler sind.

STANDARD: Wie sieht es bei den bestehenden Verträgen aus?

Svoboda: Angesichts der Niedrigzinsphase ist es problematisch, dass Produkte mit hohen Zinsversprechungen vorliegen, mit Zusagen bis zu vier Prozent. Das ist derzeit schwer zu erreichen. Aber der österreichische Markt hat im Vergleich zu Deutschland einen relativ geringen Anteil an vierprozentigen. Durchschnittlich liegt das Zinsversprechen bei 2,75 Prozent – und zwar über den Zeitraum des Vertrages.

STANDARD: Auch 2,75 Prozent sind hoch, derzeit.

Svoboda: Wir managen den Bestand nicht nur über die Zinserträge, sondern auch über Kostenvorteile, indem wir vorsichtiger kalkulieren – und natürlich über die Erträge, die wir erwirtschaften, sodass wir auch in einer Tiefzinsphase die Erträge liefern können. Aber natürlich, wenn diese Phase 15 Jahre andauert, dann wird's schwierig. Aber grundsätzlich ist es managebar.

STANDARD: Jetzt wird aber am Markt auch ein schnelles Anziehen der Zinsen befürchtet. Wieso das?

Svoboda: Da wird befürchtet, dass Kunden bei einem steigenden Zinsumfeld und angesichts ihrer eher niedrig verzinsten Verträge aussteigen wollen. Natürlich ist dieses Risiko da – aber unsere Erfahrung zeigt, dass Österreicher kaum aus ihren Lebensversicherungsverträgen vorzeitig aussteigen wollen, weil sie die Sicherheit der Branche schätzen.

STANDARD: Für wie realistisch halten Sie diese Entwicklung?

Svoboda: Das Niedrigzinsumfeld ist etwas, das politisch gewollt ist, Stichwort leichtere Entschuldung der Staaten. Damit gibt es nicht nur einen Druck auf Lebensversicherungen bzw. die Banken. Die Frage ist: Wie lange kann sich die europäische Politik das noch leisten? Und was die Kunden betrifft, da ist es so, dass diese trotzdem Lebensversicherungen kaufen. Wir haben in diesem Halbjahr ein Plus von 7,5 Prozent und halten bei über 23.300 Neuverträgen.

STANDARD: Es wird immer wieder behauptet, dass es aufgrund des Margendrucks zu Fusionen und Übernahmen in der Branche kommen muss. Wie sehen Sie da die Situation in Österreich?

Svoboda: Ich bin da eher vorsichtig. Der österreichische Markt hat ca. 50 Versicherungen – das heißt, wir sind extrem fragmentiert und sicherlich nicht "underinsured". Aber für die wirklich großen internationalen Player ist Österreich sehr klein. Man hat uns bereits vor der letzten Reform des Versicherungsrechts, bei Solvency II, prophezeit, dass es zu einer Marktbereinigung kommt. Nichts ist eingetreten.

STANDARD: Institutionen wie OECD und IWF befürchten aber, dass es angesichts der geringen Zinsen zu Insolvenzen kommen kann. Ist das realistisch?

Svoboda: Ja. Allerdings ist der österreichische Markt perfekt reguliert. Das wurde uns beim internationalen Stresstest im Herbst 2014 bestätigt, wo wir im Vergleich zu anderen sehr gut abgeschnitten haben.

STANDARD: Es kommt aber nun zu einer weiteren Welle von Regulierungen.

Svoboda: Das regulatorische Umfeld ist mit den hohen, nicht operativen Kosten sicherlich eine Belastung für die Versicherungen geworden. Uniqa hat bereits 20 bis 25 Millionen Euro dafür ausgegeben. Aber man muss das auch positiv sehen, auch wenn das viele nicht hören wollen. Die Branche wurde beispielsweise zu einem aktiven Risikomanagement gezwungen. (Interview: Johanna Ruzicka, 23.8.2015)