Kathrin Nachbaur will in der ÖVP auch eigene Wege gehen.

Foto: Cremer/STANDARD

Wien – Eine kurze Pressekonferenz Anfang August, und das war's dann auch schon. Allzu viel wollte die ehemalige Frontfrau des Teams Stronach (TS), Kathrin Nachbaur, über ihre Beweggründe nicht preisgeben, warum sie als Gründungsmitglied der Partei und engste Wegbegleiterin Stronachs nun in den ÖVP-Parlamentsklub gewechselt ist. Es sei "keine Entscheidung von heute auf morgen gewesen", sagte Nachbaur jetzt im Gespräch mit dem Standard.

Es habe einige Zeit gedauert, ehe sie das Angebot der ÖVP angenommen habe. "Es hat ja schon lange gegärt. Wir hatten grobe Meinungsunterschiede, wie man die Partei führen soll. Frank Stronach wollte die Partei anders führen als ich, und ich habe dann einfach keine Chance mehr gesehen, mich mit meinen Themen und Positionen führend im Team Stronach einzubringen. Frank hat diese Partei gegründet und finanziert, und es ist natürlich sein gutes Recht, seine Partei so zu führen, wie er glaubt. Ich muss aber anfügen, dass ich ihn als Person und seine wirtschaftlichen Leistungen sehr schätze."

Neun-Millionen-Darlehen

Stronach habe jedenfalls die alleinige Entscheidungsgewalt, er bestimme, wo die Partei antrete, welche Mitglieder aufgenommen werden und welche nicht, "wie die Bundespartei aussehen und finanziert werden soll".

Ein heikler Punkt dürfte auch die Finanzierung der Partei gewesen ein, obwohl Nachbaur zu diesem Thema "keine Stellungnahme" abgeben möchte. Zuletzt war von neun Millionen Euro Darlehen die Rede, die noch offen seien. Parteiintern heißt es, dass Stronach "Jahr für Jahr" entscheide, ob die Partei die Parteienförderungen behalten könne – wenn sich die Partei gemäß seinen Vorstellungen verhalte – oder für die Darlehensrückzahlung verwenden müsse. Für dieses Darlehenskonstrukt trägt letztlich die Parteiführung die Verantwortung.

Eine "Demokratisierung" der Partei wäre nach Ansicht Nachbars "der einzig richtige Schritt gewesen". Parteientscheidungen hätten breiter aufgestellt und die Mitglieder miteinbezogen werden müssen.

Den endgültigen Anstoß zum Wechsel hat dann ganz offenbar der neue TS-Klubobmann Robert Lugar gegeben. Nachbaur: "Die neue Klubführung hat einen Stil, der nicht mein Stil ist – das möchte ich so stehen lassen."

Das Team Stronach habe "ohne Zweifel eine Jahrhundertchance gehabt". Das zum Teil nicht optimale Parteipersonal sei auch mit ein Grund gewesen, warum letztlich potenzielle, qualifizierte Kandidaten aus der Wirtschaft sich mit einem Engagement zurückgehalten hätten.

Auch gegen ÖVP-Parteilinie

Der Wechsel in den ÖVP-Klub bedeute für sie trotz der Trennung von Stronach aber keine Änderung ihrer politischen Linie. "Ich habe ja gestaunt, wie viele Parallelen es zwischen dem Parteiprogramm des Teams Stronach und dem Grundsatzprogramm 2015 der ÖVP gibt." Sie habe jedenfalls die feste Absicht, "in der ÖVP meine Handschrift sichtbar zu machen". Klubchef Reinhold Lopatka habe ihr zugesichert, dass sie auch "in einigen Themen" parteiabweichende Meinungen vertreten dürfe. Erste VP-klubinterne Debatten könnte da demnächst Nachbaurs Europakurs auslösen. Die Neo-VP-Parlamentarierin: "Der Euro funktioniert in der Form nicht, er treibt die Völker weiter auseinander, als er sie zusammenführt. Ich kann mir sehr gut einen Währungsverbund von Ländern, die ähnliche volkswirtschaftliche Strukturen aufweisen, vorstellen, ein Kerneuropa also. Krisenländer sollten zwischenzeitlich zur alten Währung zurückkehren, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Für Griechenland hieße das Schuldenschnitt und Grexit."

"Moralischer Größenwahn"

Kritisch sieht Nachbauer auch das neue Asylgesetz. "Ich bin bei Anlassgesetzgebungen immer skeptisch. Das scheint mir eine zu zentralistische Lösung zu sein, die die Bürger nicht einbezieht. Ohne Bürgermeister geht in unserem Land gar nichts.

Spezielle Gedanken macht sich Nachbaur zum Thema Einwanderung: "Österreich ist sicher ein Vorbild an Menschlichkeit, aber ich meine, es ist zwar ein hehrer Gedanke, aber ein moralischer Größenwahn, wenn man allen Schutzbedürftigen in Österreich Quartier bieten will. Die meisten Asylwerber landen in der Mindestsicherung – die ist so großzügig, dass sich das schon bis Damaskus durchgesprochen hat. Die Frage ist, wie wir das alles finanzieren wollen." (Walter Müller, 21.8.2015)