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Mandat ausgelaufen: Kurdenpräsident Massud Barzani.

Foto: Reuters / Stringer

Erbil – Die Deadline in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um Punkt Mitternacht verstrich, ohne dass sich die Parteien der kurdischen Autonomieregion im Nordirak darauf einigen konnten, wie sie mit dem Auslaufen des Mandats von Präsident Massud Barzani umgehen: Barzanis Amtszeit war bereits vor zwei Jahren vom Parlament nach zwei Perioden noch einmal verlängert worden, in der Annahme, dass 2015 Präsidentenwahlen unter einer neuen Verfassung stattfinden könnten. Diese ist aber noch immer nicht fertig.

Seit Wochen streiten die Parteien in dutzenden Sitzungen – das Internetportal von Rudaw zählte 60 – über eine von Barzanis KDP (Kurdische Demokratische Partei) vorgeschlagene nochmalige Verlängerung Barzanis angesichts der instabilen Lage in der Region. Einige Parteien im kurdischen Parlament machen jedoch Frontalopposition dagegen oder stellen zumindest Bedingungen wie die Beschneidung der Kompetenzen. Barzani, der das mächtigste, aber nicht das einzige Mitglied seiner Familie in der Politik ist, wird vorgeworfen, das kurdische demokratische Projekt zu beschädigen, wenn er nach zehn Jahren Präsidentschaft weiter im Amt bleibt.

Uneinigkeit auch über die Folgen

Die Ratlosigkeit in Erbil, der Hauptstadt der autonomen Region und Sitz der Regionalregierung, war am Donnerstag groß. Irakisch-Kurdistan hat in den 1990er Jahren eine bittere Erfahrung gemacht, als ein Parteienstreit im Parlament zu einem Bürgerkrieg führte.

Politiker und Juristen waren uneinig darüber, was das Auslaufen von Barzanis Amtszeit bedeutet: Manche nehmen an, dass Barzani de facto Präsident bleibt, bis es eine Lösung gibt; andere meinen, dass der Parlamentspräsident die Funktion des Präsidenten übernimmt und innerhalb von 60 Tagen Wahlen stattfinden müssen. Aber der Disput beinhaltet ja auch die Frage, wie die Wahlen – Volkswahl oder im Parlament – und die künftige Rolle des Präsidenten auszusehen haben.

Proteste der Opposition

Präsident des Regionalparlaments in Erbil mit 111 Sitzen ist Yousif Mohammed Sadiq von der Partei "Gorran" (Wechsel). Die Oppositionspartei, die von der Unzufriedenheit vieler Kurden mit den beiden etablierten Parteien – KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistans) – profitiert, wurde bei den kurdischen Parlamentswahlen im Jahr 2013 mit 24 Mandaten zweite Partei noch vor der PUK (18 Mandate), deren Parteichef Jalal Talabani, damals irakischer Staatspräsident, 2012 schwer erkrankte.

Stärkste Partei ist mit Abstand Barzanis KDP mit 38 Mandaten. Zwei islamische Parteien mit insgesamt 16 Mandaten folgen. Sie erschweren die Verfassungsschreibung insofern, als sie den Islam als die Quelle für die Gesetzgebung festschreiben wollen. (guha, 20.8.2015)