Staycation: Tapetenwechsel mit Wellnessprogramm in der eigenen Stadt.

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Selten genug lerne ich neue Worte kennen. Unlängst hatte ich das Glück. An einem regnerischen Mittwochabend bei einem Bier erzählte ein Bekannter von seinen Freunden aus Singapur. Reiche Leute, ja klar, die sich alle Arten von Tapetenwechsel gönnen.

Manchmal, so der Freund, würden sie nicht einmal verreisen, sondern sich nur eine Staycation gönnen. Staycation? Das sind Hotelübernachtungen in der eigenen Stadt. Also: Hinflug oder Autofahrt sowie stundenlange Städtebesichtigungen entfallen. Die ganze Familie bucht sich ins Luxushotel ein und lebt 48 Stunden lang ein Fünfsterneleben. In der Nebensaison gäbe es günstige Angebote. Keine Ahnung, was günstig in Singapur ist.

Tolle Technik

Der Freund vom Freund jedenfalls macht das schon allein wegen der riesigen Fernsehbildschirme, die es in asiatischen Luxushotels gibt. Wie von Geisterhand taucht aus einem Kasten ein riesiger "Flat" auf, Bilder in nie gekannter Schärfe erscheinen, auch blöde Filme haben plötzlich ihre Qualität. Für die Kinder gibt es Spielekonsolen. Der Kellner bringt zuerst Nüsschen, dann Clubsandwiches.

Und die Frau des Staycation-Fans verbringt die Zeit im hoteleigenen Spa und macht stundenlang Wellness. Fünfsternehotels rittern darum, den "besten Wellnessbereich" zu haben, und lassen sich dazu allerhand einfallen. Pools, Saunas oder Regenwaldduschen, Kosmetikbehandlungen aller Art, verschiedene Massagen und immer mit Schönheitsritualen: Ein Wochenende ist da fast zu kurz.

Tourist zu Hause sein

Und tatsächlich: Auch Wien ist eine Stadt für Staycation. Im Hotel Sacher zum Beispiel gibt es "Time to chocolate". Schokolade für die Haut, angewendet im hauseigenen Spa. Wer das Süße nicht will, kann sich im Wiener Traditionshaus auch einer Behandlung mit Kaviar unterziehen. Die Damen von La Prairie haben weiche, warme Hände, die mit gut eingeübten, sicheren Streicheleinheiten über Stirn und Wangen massieren. Denn, und auch das ist ein Trend, jede Kosmetikmarke, die etwas auf sich hält, entwickelt Rituale. Riechen an Fläschchen, warme Steine im Nacken, Fußbäder, warme Kompressen – oder auch Handmassagen.

Im Wiener Kempinski-Hotel kann man während so eines Wochenendes seine Falten loswerden. Ein bisschen zumindest. Dort wird mit dermatologischer Gerätschaft gearbeitet. Die französische Traditionsmarke Guerlain wiederum betreibt im Ritz Carlton eine eigene Schönheitssektion. Im Park Hyatt kann man unter dem Tresorraum der ehemaligen Bank auf Sofas am Swimmingpool fläzen oder das Sanarium ausprobieren. Und wer denkt, dass man zu Hause am besten schläft, der sollte einmal in einem Bett im Sofitel zu liegen kommen. Das kann man auch kaufen. Also Achtung: Eine Staycation kann Folgekosten haben.

Angebote auskosten

In jedem Fall geht es immer darum, sich 48 Stunden lang um nichts kümmern zu müssen, freundlichst behandelt zu werden und ein Hotel mit all seinen bekannten und unbekannten Erlebnispotenzialen voll und ganz auskosten zu können: vom Frühstücksbuffet bis zum Dinner.

Der Bekannte, der das beim Bier erzählte, gab dann zu, dass er Staycation in einer leicht abgewandelten Form auch schon ausprobiert hätte. Er und seine Familie haben ein Wochenende in einem sehr schönen Hotel in Graz verbracht.

Seine Frau hatte zweimal Gesichtsbehandlung, dreimal Körpermassage und sich sämtliche Nägel lackieren lassen. Bis spät nachts hätten sie dann bei köstlichen Drinks in der Hotelbar gelacht. Seit damals denken seine Kinder übrigens, dass Graz die tollste Stadt Österreichs sei. Das Hotel hat die Familie nämlich nicht verlassen. (Karin Pollack, 24.8.2015)