Der Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum) gilt als eine der prominentesten Invasoren in Europa und Nordamerika. Ursprünglich aus dem Kaukasus stammend bedeckt der Doldenblütler – wie auf dieser Aufnahme aus Tschechien – mittlerweile hektarweise ungenutztes Weideland.

Foto: Jan Pergl

Wien – Annähernd vier Prozent aller Pflanzenarten waren früher einmal nicht dort heimisch, wo man sie jetzt finden kann. Wie ein internationales Wissenschafterteam nun im Fachjournal "Nature" vorrechnet, beläuft sich die Gesamtzahl aller Neophyten auf weltweit 13.168. Das sind mehr Arten als in ganz Europa heimisch sind. In Österreich ist der Anteil sogar noch höher: Von den rund heimischen 3.000 Pflanzenarten wurden 300 Spezies eingeschleppt.

Das Forscherteam, an dem der Biodiversitätsforscher Franz Essl vom Umweltbundesamt und der Universität Wien federführend beteiligt ist, hat in den vergangenen drei Jahren die erste umfassende "globale Invasionsdatenbank für Pflanzen" (GloNAF) aufgebaut. Dazu führten die Forscher Daten aus 481 Regionen auf dem Festland und von 362 Inselregionen zusammen. "Diese Vorarbeit macht sich jetzt bezahlt, weil wir erstmals zeigen können, wie das Muster der Pflanzeninvasionen weltweit aussieht", erklärte Essl. Als eingeschleppte Arten gelten solche, die in ihrem neuen Lebensraum über mehrere Jahre hinweg beständige Populationen bilden.

Beschleunigte Einwanderung

Vor 1492 – also vor der Entdeckung Amerikas und dem Beginn der Neuzeit – wurden zwar auch Pflanzen verschleppt, allerdings in weit geringerem Ausmaß, wie Essl sagte. Davor wanderten Arten eher von einer Region in eine Benachbarte, das passierte in der Regel relativ langsam und die Veränderungen waren geringer. Vor 1492 eingeschleppte Arten zählten die Forscher in ihrer aktuellen Arbeit daher nicht mit. Ab dem Jahr 1800 sei jedenfalls eine Beschleunigung des Phänomens zu beobachten, die mit der Globalisierung in den vergangenen Jahrzehnten ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Dass die nun identifizierten Neophyten mehr als 13.000 Arten, oder einen weltweiten Anteil von 3,9 Prozent aller bekannten Pflanzenarten über alle untersuchten Regionen hinweg, ausmachten, sei überraschend. "Einiges hat man zwar schon geahnt, man konnte es aber bisher nicht anhand von Daten zeigen", erläuterte Essl. Das Ausmaß werde deutlicher, wenn man bedenkt, dass es in Europa insgesamt ungefähr 12.000 Pflanzenarten gibt.

Europa als Pflanzen-Exporteur

"Was man auch schön sieht, ist, dass Europa ein Pflanzenarten-Exporteur ist. Die biologische Globalisierung ist auch eine Folge der tatsächlichen Globalisierung und früher noch der Kolonialisierung. Dieses Muster sieht man heute noch", hielt Essl fest.

Als "Hotspots" für eingeschleppte Arten erwiesen sich vor allem Inseln. Das hat mehrere Gründe: Inselfloren sind isolierter und dadurch auch arten-ärmer, was Einwanderern mehr biologische Nischen zur Entfaltung lässt. "Die Isolation von Inseln hat der Mensch aufgehoben. Man schätzt beispielsweise, dass auf Hawaii alle zwei Wochen eine neue Pflanzen- oder Tierart eingeschleppt wird", sagte Essl.

Aber auch in klimatisch gemäßigten Zonen auf der Südhalbkugel, also etwa in Südafrika, im Süden Südamerikas, in Australien oder Neuseeland, haben dank des Menschen viele oft robustere Pflanzen aus der nördlichen Hemisphäre nachhaltig Wurzeln geschlagen. Ein eindrückliches Beispiel sind Nadelbäume, wie Kiefern, Fichten oder Tannen, die dort teilweise "massive Probleme" verursachen.

Lästiges Ragweed

Aber auch der Pflanzen-Zuzug nach Europa beläuft sich auf insgesamt etwa 4.000 Arten. In Österreich sind etwa 300 angekommen. Eine bekannte Art, die aus Nordamerika eingeschleppt wurde, ist die Robinie. Dieser Laubbaum fühlt sich vor allem in Ost-Österreich schon seit dem 17. Jahrhundert wohl. Breitet er sich in einem Gebiet aus, verändert er die Lebensräume dort stark, erläuterte Essl. Ein Beispiel für eine bekannte und erst vor kurzem eingeschleppte Art ist das "Ragweed" oder "Ambrosia", unter dem vor allem Pollenallergiker leiden.

Derart erfolgreiche Arten wieder wegzubekommen sei in vielen Fällen unmöglich, betonte der Experte. Man müsse sich viel mehr Gedanken darüber machen, wie sich neue Arten ansiedeln und wie dieser Prozess eingedämmt werden kann – vor allem in sensiblen Regionen, die stark unter solchen Arten leiden. In Neuseeland habe sich etwa gezeigt, dass umfassende gesetzliche Quarantänemaßnahmen Neueinschleppungen in engeren Grenzen halten können. (APA/red, 19.8.2015)