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Foto: EPA / Remko De Waal

Pro
von Kim Son Hoang

Es ist nonkonformistisch, zweifellos. Man erntet schräge Blicke, erblickt schüttelnde Köpfe, Autofahrer verhöhnen einen, weil keine Gelegenheit ausgelassen werden darf, dem natürlichen Feind eins auszuwischen. Und sind das alles nicht herrliche Gründe, beim Radfahren zu singen?

Dem starrsinnigen Gedankentum der Mehrheit ein inbrünstiges "Should I Stay or Should I Go" entgegenzuschmettern (Autofahrer wissen darauf eine Antwort)? Der heutigen, facebooksüchtigen und zu jedem unkonventionellen Gedanken unfähigen Jugend das legendäre "My my my my Sharona" näherzubringen (natürlich war früher alles besser)?

Abseits dieses hoffentlich revolutionären Effekts geht es aber auch um Spaß – und Freiheit. Spaß dabei, in aller Öffentlichkeit etwas zu machen, was der geläufigen Meinung nach nur unter Duschen und in Karaokebars ausgeübt werden sollte.

Und die Freiheit ist, genau diese Denkmuster zu durchbrechen. Wie heißt es in einem berühmten Song so schön: "I've been looking for freedom. I've been looking so long." Es ist an der Zeit, dass David Hasselhoff sie findet.

Kontra
von Michael Wurmitzer

Hand aufs Herz (ich nehm sie nur kurz vom Lenker): Ich bin nicht Muffi-Schlumpf! Ich mag Sonnenschein, Blumen und Eiscreme! Aber Singen beim Radfahren? Dass es Wander-, aber keine Radfahrlieder gibt, kann das Willkür sein? Mitnichten!

Gemeinhin singt man gern angeheitert (Alkohol) oder allein (Auto). Zu beiden "A"s hält man als Radler lieber Sicherheitsabstand. Angemessener für den Überlebenskampf auf dem Straßenpflaster scheinen die weniger melodiösen Schwestern des Singens: Fluchen und Verkehrshinweise brüllen.

Vielleicht liegt der Grund darin, dass man bei spitzen Schreien weniger Mücken verschluckt als bei elegischen Arien. Deswegen scheiden Vegetarier als Pedalträllerer aus. Männer qua Multitaskinginkompetenz (jausnen, tindern und treten müssen reichen!) sowieso.

Überhaupt sollten alle, die über neun sind, vorsichtig sein, wirkt öffentlicher Singsang doch schnell ähnlich irritierend wie Tänzeln beim Warten auf den Bus.

Wer unbedingt will, kann ja summen. (Rondo, 21.8.2015)