Ein neuer weißer Held im Ring, der es mit der richtigen Schlagtechnik der Welt und sich selbst beweisen will: Jake Gyllenhaal durchleidet als Boxer in "Southpaw" jenen tiefen Fall, den es braucht, um nach ganz oben zu kommen.

Foto: Ascot Elite

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Wien – Der Name Hope für einen Boxer kann nur als frivol bezeichnet werden. Denn es gibt eigentlich nur zwei mögliche Vornamen dazu: Great White. Um eine "Große weiße Hoffnung" ging es 1967 in einem Bühnenstück, in dem eine rassistische Gesellschaft darauf wartete, dass ein erfolgreicher afroamerikanischer Boxer endlich auf einen weißen Herausforderer trifft. Mit ein wenig Großzügigkeit könnte man sagen, dass sich diese Hoffnung in Antoine Fucquas Southpaw erfüllt hat. Denn der Billy Hope, von dem hier erzählt wird, ist ein Boxer auf der Höhe des Erfolgs. Und er ist weiß, jedenfalls von der Hautfarbe her.

Aber so wie der weiße Rapper Eminem in die Domäne eingedrungen ist, die einst von Public Enemy oder Niggers with Attitude bestimmt wurde, haben sich die Grenzen zwischen "class" und "race" verwischt, die Rassismen sind subtiler geworden, ihre Überwindung wird ausgestellt.

So findet sich Billy Hope in Southpaw, nachdem er von ganz oben ziemlich heftig nach ganz unten gerumpelt ist, in einem Umfeld von schwarzen Professionals wieder, die aus unterschiedlichen Motiven und mit je eigenen Methoden versuchen, ihn noch einmal nach oben zu bringen: der Coach Tick Wills (Forest Whitaker) und der Manager Jordan Mains (50 Cent, noch ein Querbezug zur Welt des Hip-Hop). Dass der Coach eher für die Weisheit zuständig ist, während der Promoter seinen Mann ohne Weiteres verheizen würde, zeugt davon, dass Southpaw keinerlei revisionistisches Interesse hat, sondern sich ziemlich direkt in die Tradition von Rocky stellen möchte.

Das Drehbuch von Kurt Sutter (bekannt von der Serie Sons of Anarchy) lässt von Beginn an erkennen, dass hier dramaturgisch die kurzen Wege zählen: Von Hell's Kitchen in Manhattan bis zum Madison Square Garden ist es nicht weit, und zwar in beide Richtungen. Ausgerechnet bei einem Charityevent lässt Billy Hope sich blöd provozieren, und schon ersäuft sein Leben buchstäblich in Negativität. Seine schutzbefohlene Tochter macht den Gewissenswurm und das sentimentale Motiv für die Versehrungen, die er auf dem zweiten Weg nach oben erleiden muss.

Mann der Anverwandlung

Boxerfilme bilden längst einen eigenen kleinen Kanon innerhalb der Filmgeschichte. Sie werden, spätestens nach Martin Scorseses Raging Bull, an der Wucht gemessen, mit der sie auf das Genre einschlagen. Southpaw lässt hier durchaus eine vergleichbare Ambition erkennen: Jake Gyllenhaal geht in der Hauptrolle zwar nicht durch all die körperlichen Extreme, die Robert De Niro 1981 einen Oscar einbrachten. Aber er macht sich doch mit Haut und Haar zu einem Prügelknaben des Schicksals und der eigenen Impulse, nur um danach umso fester zurückzuschlagen. Wobei der "Southpaw" auf die bevorzugte Haltung von Linkshändern im Ring verweist: die rechte Körperhälfte ein wenig vorgeschoben, den linken Schwinger in Reserve haltend für den relevanten Schlag.

Jake Gyllenhaal hat zweifellos etwas vor mit seiner Karriere. Er wählt seine Rollen anscheinend danach aus, dass sie ihn an bestimmte Extreme heranführen: der soziopathische Journalist, den er in Nightcrawler spielte, erforderte von ihm ganz andere Register als die Rolle des Billy Hope, für die er dem Vernehmen nach neun Monate nicht einfach trainiert hat, sondern für die er tatsächlich zum Boxer wurde. Was er in Nightcrawler an interessanter Verfremdung aufbrachte, kompensiert Gyllenhaal in Southpaw durch naturalistische Anverwandlung.

Vor allem dieser Aspekt rechtfertigt ein Interesse an Southpaw, der im Übrigen in der glatten Regie von Antoine Fucqua allzu unmittelbar die überdeutlichen Motive des Drehbuchs einfach umsetzt. Jake Gyllenhaals große, weiße Hoffnung auf einen Oscar wird sich vermutlich mit Southpaw (noch) nicht erfüllen. (Bert Rebhandl, 19.8.2015)