Wien – Der hippe, grüne siebente Wiener Gemeindebezirk boomt – gerade unter jungen Leuten – seit Jahren. Kleine Geschäfte, Lokale und Schanigärten gibt es an fast jeder Straßenecke. Einziges Problem: Es fehlt an Bankomaten.

derstandard.at/von usslar

Will man abseits der größten Einkaufsstraße von Neubau, der Mariahilfer Straße, einkaufen, sollte man von vornherein genügend Bargeld eingesteckt haben oder bereit sein, die Bankomatkarte zu zücken. "Es gibt hier viel zu wenige Automaten", klagt Khaled A., der in der Burggasse wohnt: "Es ist mir schon passiert, dass ich in einem Lokal war, bestellt habe, und dann gab es keine Kartenzahlung. Ich habe ewig den nächsten Automaten gesucht."

Bankomaten werden Rarität

Der Anrainer würde sich mehr Möglichkeiten zum Geldabheben wünschen. In seiner Straße gibt es zwischen dem Museumsquartier und dem Gürtel keinen einzigen Bankomaten. Diese werden im gesamten Bezirk immer mehr zur Rarität: Erst vor ein paar Wochen hat eine Filiale der Bank Austria in der Kaiserstraße zugesperrt, eine weitere am Siebensternplatz ist schon vor längerer Zeit in einen Supermarkt umgewandelt worden.

Die leerstehende ehemalige Bank Austria in der Kaiserstraße.
Maria von Usslar

"Zum nächsten Bankomaten müssen Sie weit gehen. Am besten zur Neubaugasse", sagt Anrainerin Bianca G. Zwar ist auch dort die Bankfiliale der Bawag aufgelöst worden, aber in einem der Spar-Supermärkte steht neben der Kassa ein Automat. Abheben kann man dort aber nur, solange das Geschäft offen hat. Nach 19.30 Uhr muss man sich woanders nach Barem umsehen.

Ebenfalls während der Ladenöffnungszeiten kann bei jedem Billa an der Kasse einfach eine Summe genannt werden, die abgebucht und wie Restgeld ausbezahlt wird.

"Schwierig, an Geld zu kommen"

"Die Leute nutzen das sehr, gerade hier, wo sie sonst schwierig an Geld kommen", sagt eine Mitarbeiterin.

"Hier gibt es eigentlich gar keine Bankomaten", sagt Roman Somogyi. Er ist Betreiber eines Farbengeschäfts in der Burggasse. Wie in den meisten Geschäften kann man bei ihm mit Karte zahlen. "Sonst ginge das hier nicht", sagt Somogyi.

Maria von Usslar

Einige Kunden würden aber nicht bargeldlos zahlen wollen. "Ich verstehe das. Sie wollen einfach nicht, dass alle ihre Daten nachvollziehen können, dass jeder weiß, was sie kaufen." Diese Kunden muss Somogyi zum nächsten Bankomaten auf der Mariahilfer Straße oder in der Lugner City schicken. "Ich kann dann nur hoffen, dass sie wiederkommen. Aber vielen ist das zu mühsam – und das bedeutet Geschäftseinbußen für mich", sagt er.

Schlecht fürs Geschäft

Ein Ort, an dem auch nicht gerne mit Karte gezahlt wird, ist ein Erotikladen weiter in Richtung Gürtel. Zwar besitzt das Etablissement eine Bankomat-und-Kreditkarten-Kasse, die Kunden wollen aber meist nicht, dass der Besuch in der Peepshow in der Burggasse auf dem Konto aufscheint, sagt die Kassiererin am Eingang. Auch für ihr Geschäft ist der Bankomatnotstand schlecht.

Man überlege es sich gut, ob man noch einmal zurück in ein Geschäft geht, wenn man so lange nach einem Bankomaten suchen muss, meint Katharina M., die zum Shoppen in den Siebenten kommt. "Meistens kann man die Dinge auch woanders besorgen", sagt die Studentin.

Bei diesem Bankomaten in einem Supermarkt in der Schottenfeldgasse lässt sich nur während der Betriebszeiten der Filiale Geld abheben. Nach 19.30 Uhr muss man sich woanders umsehen.
Maria von Usslar

Dies fällt etwa in Trafiken auf. In der Kaiserstraße erzählt die Verkäuferin, dass sie absichtlich nur Bargeld annehme. Sie "zahle drauf", wenn die Kunden ihre Zeitungen oder Fahrscheine mit Karte bezahlen.

Hohe Kosten

300 Euro koste die Anschaffung des Gerätes, dazu kämen noch bei jeder Buchung die Bankgebühren. Bei einem Betrag von etwa 4,50 Euro für eine Packung Zigaretten rechne sich das nicht. Ihre Kunden müssten daher zum nächsten Bankomaten. Auf dem langen Weg dorthin finden sich jedoch genügend andere Tabakgeschäfte.

Magenta: Bankomat, Rosa: Supermarkt mit Bankomat (zugänglich innerhalb der Öffnungszeiten).
karte: michael bauer

Die Bargeld-Lücke in Wien-Neubau hat einen einfachen Grund: Mit der Umwandlung der Mariahilfer Straße in eine Fußgängerzone erhoffen sich Banken dort mehr Kundenfrequenz und verlegten ihren Service in die Einkaufsstraße. Grundsätzlich ist eine Bank als privatwirtschaftliches Unternehmen dem Bezirk keinen Service schuldig. Allerdings versicherte Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger bereits in einem Bürgerforum, er werde sich noch im August darum kümmern, dass es in der Kaiserstraße wieder einen Bankomaten gibt. (Oona Kroisleitner & Maria von Usslar, 18.8.2015)