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Wie diese Frau in ihrem erst kürzlich zerstörten Haus bei Donezk stehen viele Menschen in der Ostukraine vor den Trümmern ihrer Existenz.

Foto: Reuters / Alexander Ermochenko

Kiew/Moskau – Durch das riesige Loch in der Wand ist das Wohnzimmer zu sehen. Trümmer und Schutt liegen im ganzen Raum verstreut. Der Hausherr zeigt hilflos auf die zerstörte Habe. In Sartana, einem Vorort der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol, wurden bei dem nächtlichen Artilleriebeschuss der Rebellen 52 Wohnhäuser beschädigt, drei davon sind nach Volltreffern völlig zerstört. Gasleitungen brennen, die Energieversorgung ist teilweise lahmgelegt. Drei Zivilisten wurden nach Angaben der ukrainischen Armeeführung getötet. Bürgermeister Stepan Machsma sprach zudem von sechs Verletzten, darunter einem Kind.

Spiegelverkehrt die Lage in Donezk: Die von den Separatisten gehaltene Großstadt steht trotz der auf dem Papier geltenden Waffenruhe seit Wochen unter Feuer. Die Bilanz der Nacht dort: etwa 40 beschädigte Wohnhäuser, eine Schule und eine Gasleitung. Die Stadtverwaltung spricht von zwei Toten und zehn Verletzten. In der benachbarten Rebellenhochburg Horliwka gab es ebenfalls zwei Tote, vier Verletzte und reichlich Zerstörungen. Die Rebellen werfen dem ukrainischen Militär den Einsatz von Panzern und Artillerie vor.

Eigentlich hatten sich beide Seiten zum Abzug der großkalibrigen Waffen verpflichtet. Konsequent umgesetzt wurde der Schritt nie, nun geben sich die Konfliktparteien nicht einmal mehr Mühe, den Schein von Friedfertigkeit zu wahren. Die Rückkehr schweren Geräts wird gegenüber den OSZE-Beobachtern jeweils als Antwort auf die Aggression der Gegenseite erklärt.

Druck auf die OSZE

Die OSZE hat eine drastische Verschlechterung der Lage konstatiert. Beobachter hätten an zahlreichen Punkten der Front Verstöße gegen die Feuerpause gemeldet, teilte die Organisation mit. Zudem müssen die Beobachter mit rapide zunehmender Gewalt gegen sich selbst rechnen. Die Sicherheitslage hat sich nach den Worten des Schweizers Alexander Hug, des stellvertretenden Leiters der Mission, zuletzt "galoppierend verschlechtert". Nach Schmierereien wurden in Donezk die Fahrzeuge der Beobachter in Brand gesetzt, dann gerieten sie unter Beschuss.

Die Rebellenführung erklärt die Gewalt gegen die OSZE-Mission mit dem Ärger der Bevölkerung über die angeblich voreingenommene Berichterstattung der internationalen Beobachter. Die "Menschenrechtsbeauftragte der Donezker Volksrepublik" Darja Morosowa forderte die OSZE auf, "Druck auf Kiew auszuüben, damit dieses dann endlich konkrete Entscheidungen zur Umsetzung des Minsker Abkommens trifft." Nur so könne die OSZE das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen, fügte sie hinzu.

"Aktive Angriffe"

Doch das Scheitern des Minsker Abkommens zeichnet sich immer stärker ab: Beide Seiten werfen einander bereits die Vorbereitung neuer Offensiven vor. Der Sprecher der ukrainischen Präsidialadministration Andrej Lyssenko warnte, bei Donezk und Mariupol drohten die Separatisten damit, "zu aktiven Angriffen überzugehen". Unterdessen erklärte der Luhansker Milizenführer Igor Jaschtschenko, Kiew bereite die "heiße Phase" eines Angriffs vor, "den es bis zum Oktober abschließen will, da die ukrainischen Soldaten bis heute nicht gelernt haben, in der herbstlichen Schlammzeit zu kämpfen".

Rhetorische Rückendeckung bekommen die Rebellen aus Moskau: "Die Entwicklung der letzten Tage erinnert sehr stark an die Vorbereitung weiterer Kampfhandlungen", beschuldigte Russlands Außenminister Sergej Lawrow das ukrainische Militär, sich für eine neue Offensive zu rüsten. Derartige Versuche seien schon in der Vergangenheit kläglich gescheitert, warnte Lawrow. (André Ballin, 17.8.2015)