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Jeder Befruchtungsversuch hat einen Preis: Er ist psychologisch belastend und finanziell kostspielig.

Foto: dpa / Ralf Hirschberger

Keine Frage: Das Leben ist ungerecht – und die Entstehung des Lebens auch. Umso mehr uns die Errungenschaften der modernen Reproduktionsmedizin klarmachen wollen, dass Kinderkriegen heute längst nicht mehr nur Schicksal, sondern zu einer Frage der technischen Machbarkeit geworden ist, desto mehr wird augenscheinlich, dass wir es mit jeder Menge Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu tun haben. In der Hoffnung auf einen erfüllten Kinderwunsch geht es für Betroffene stets um die Altersfrage, Behandlungsmethoden, die Ländergesetzgebungen und nicht zuletzt ums Geld, das, falls vorhanden, nicht alles, jedoch vieles möglich macht.

Aber wo stehen wir aktuell? Laut dem IVF-(In-vitro-Fertilisation-)Jahresbericht 2014 des österreichischen Gesundheitsministeriums lag die Baby-Take-Home-Rate 2013 bei 28 Prozent. In absoluten Zahlen heißt das: 2013 wurden 6927 IFV-Zyklen durchgeführt, daraus ergaben sich 2338 Schwangerschaften, und am Ende kamen 1998 Kinder zur Welt.

"Die Mehrheit der Paare hat also nur viel Geld, Schmerzen, Nerven und Zeit investiert", bringt Autorin Eva Maria Bachinger die Fakten auf den Punkt. In ihrem eben erschienenen Buch "Kind auf Bestellung" nimmt sie eine skeptische Haltung zum Thema ein und plädiert für klare Grenzen in einem gesellschaftspolitisch heiß umkämpften Terrain. Immerhin, könnte man gegen Bachinger einwenden, sind 2013 diese 1998 Kinderwunschbabys auf die Welt gekommen.

Gesetzliche Liberalisierung

Ein höchst kontroverses Thema, besonders seit es in Österreich seit Anfang 2015 ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz gibt, das die Eizellspende erlaubt, eine Fremdsamenspende für lesbische Paare möglich macht und die Präimplantationsdiagnostik (PID) liberal regelt.

Doch ein Kinderwunsch kostet. Für unter 40-jährige Frauen (und unter 50-jährige Männer) liegt der Selbstbehalt für eine IVF bei 1000 Euro pro Durchgang. Wer 41 Jahre und älter ist oder alle vier IVF-Fonds-Versuche schon verbraucht hat, bezahlt 3500 Euro pro Versuch. Die PID-Kosten liegen bei 3000 Euro, macht zusammen mit einer IVF also 6500.

Eine Eizellspende kostet überall in Europa etwa 6000 Euro und das Einfrieren von Eizellen etwa 2000 bis 3000 Euro, die jährlichen Freezing-Kosten noch einmal 300 Euro extra. Die Leihmutterschaft, vor allem auch ein Thema für homosexuelle Paare, ist in Österreich nach wie vor strikt verboten, sie kostet in Indien zwischen 12.000 und 20.000 Dollar, in den USA zwischen 70.000 und 100.000. Das Goldene Kreuz vermittelt, bei Interesse, Institute in Griechenland.

"Der Gesetzgeber hat ein Problem"

Was für Kritiker viele – vor allem ethische – Fragen außer Acht lässt, ist für den Reproduktionsmediziner Heinz Strohmer, der seit 2001 mit dem Kinderwunschzentrum im Wiener Goldenen Kreuz zu einer der ersten Anlaufstellen in Sachen Kinderwunsch zählt, noch zu kurz gegriffen. Für ihn liegt das Problem wie so oft im Kleingedruckten. Das Gesetz, das vielen Betroffenen Mut gemacht hätte, sagt er, sei so gefasst, dass eine Eizellspende nur dann möglich ist, wenn Frauen privat und ohne Eizell-Bank eine Spenderin auftun, sprich: Die Freundin, die Schwester?

"Der Gesetzgeber", formuliert es Strohmer, "hat ein Problem. Er kann gar nicht alle Situationen bedenken." Erst vor kurzem hat bei ihm eine Frau angefragt, ob sie Samenzellen einfrieren lassen kann. Das war ein Mann, der noch nicht umoperiert, aber vor dem Gesetz schon eine Frau ist. Solche Fragestellungen hat Strohmer heute im Schnitt eine pro Tag.

Nur die besten Embryonen

Vor 25 Jahren saßen in den Wartezimmern der wenigen Kinderwunschinstitute ausschließlich heterosexuelle Ehepaare. Heute, so Strohmer, gleicht kein Fall mehr dem anderen: Allein- stehende, lesbische Partnerschaften, Transgender, Lebensgemeinschaften mit großen Altersunterschieden: Zudem, weiß der Reproduktionsexperte, wird sich der Gesundheitsbegriff generell ändern, weil mit den neuen Reproduktionsmethoden auch neue, erschwingliche Gentests auf den Markt kommen.

"Mir wird eines Tages ein genetischer Berater sagen, dass ich ein 60-prozentiges Alzheimer-Risiko habe", sagt der Mediziner und fragt sich, was solche Informationen dann bewirken. Sie werden die Gesellschaft auf alle Fälle verändern, ist sich Strohmer sicher. Für Autorin Eva Maria Bachinger sind PID und Pränataldiagnostik (PND) fragwürdige Ausleseverfahren, die Begehrlichkeiten wecken. Es wird in Zukunft noch mehr um den Einsatz der "besten Embryonen" gehen.

Kind – eine Frage des Geldes

Wohin entwickelt sich die Reproduktionsmedizin? Je gebildeter eine Bevölkerung, desto niedriger die Kinderzahlen. Wenn sich in Zukunft China oder Länder in Afrika weiterentwickeln, ist es wenig überraschend, dass etwa ein belgischer Arzt derzeit schon daran arbeitet, künstliche Befruchtung billiger zu machen, genau: Auch für den afrikanischen Markt. Künstliche Befruchtung in Afrika?, mag man sich fragen, denn sicher haben Entwicklungsländer mehr Probleme mit Empfängnisverhütung als mit Empfängnis.

Trotzdem sind genau dort kinderlose Frauen noch mehr Druck ausgesetzt als hierzulande. Auch Strohmer kennt einen indischen Kollegen, der hier IVF-Schulungen gemacht hat, und weiß, dass Frauen, die in Indien keine Kinder bekommen können, wirklich stigmatisiert werden. Das IVF-Verfahren für Afrika soll nur 300 Euro kosten. Für Europäerinnen ein Schnäppchen. Für Afrikanerinnen bleibt die Hoffnung auf ein Kind dann immer noch eine Frage des Geldes. (Mia Eidlhuber, Cure, 24.8.2015)