Kein Klacks: 30.000 Höhenmeter in vier Tagen.

Foto: Felix Roittner

Zwischendurch eine kleine Erfrischung.

Foto: Alexander Karelly

Race Around Austria: Der Trailer zum Event.

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St. Georgen – Wer bremst, verliert, wer schläft, erst recht. Am Mittwochmorgen schwangen sich 200 Teilnehmer in aller Herrgottsfrüh auf den Fahrradsattel, um die siebente Auflage des Race Around Austria zu bestreiten. Ein kuscheliges Bettchen wird die rastlose Schar in den kommenden Tagen nicht erwarten, der 2200 Kilometer lange Kurs ist quasi am Stück zu bewältigen.

Start und Ziel liegen im oberösterreichischen St. Georgen im Attergau, dazwischen führt die Strecke an grenznahen Straßen rund um Österreich. "Ich rechne mit einer halben Stunde Schlaf pro Tag", sagte Christoph Strasser zum STANDARD. Rund vier Tage wird der Steirer unterwegs sein, dabei 30.000 Höhenmeter bewältigen und wahrscheinlich als Erster die Ziellinie queren. Widerstandslos nimmt der 32-Jährige die Favoritenrolle an, als Titelverteidiger und Streckenrekordhalter bleibt ihm nichts anderes übrig. Im Vorjahr betrug seine Fahrzeit drei Tage, 15 Stunden und 24 Minuten. Eine neue Bestmarke ist kein Thema, Strasser wollte es gemütlich angehen: "Die Brechstange ist bei diesen Temperaturen wirkungslos, Hirn ist gefragt."

Der Schlafentzug kann diesem Hirn durchaus einen Streich spielen. "Man bildet sich Dinge ein, man wird vergesslich und dünnhäutig." Sechs Begleitpersonen sollen Strasser mit Gesprächen bei Laune halten, verhindern, dass er gedanklich abschweift. Dem literarischen Quartett entsteht keine Konkurrenz, es geht eher um Blödelei, seichten Spaß. Zwischendurch sollen auch Kopfnüsse, wohlgemerkt der gewaltlosen Sorte, die Konzentration fördern. "Ich zähle dann die letzten zwanzig Sieger der Tour de France auf oder löse Rechenaufgaben."

Der Kopf ist die eine Sache, der Körper die andere. Erst im Juni scheiterte Strasser beim Race Across America, einer 4800 Kilometer langen Tortur zwischen West- und Ostküste der Vereinigten Staaten, an einem Lungenödem. In den Jahren 2011, 2013 und 2014 hatte er den nordamerikanischen Kontinent noch als Schnellster durchquert, diesmal streikte der Körper. Eine Episode, die Strasser zu kiefeln gab: "Den Ausfall musste ich verdauen. Und mir Gedanken machen, wie ich derartiges in Zukunft verhindern kann." Das Timing der Pausen sei ebenso hinterfragt worden wie die Kühlung des Körpers. In diesem Sinne zeigt Strasser auch vor der in Österreich herrschenden Affenhitze Respekt, "wenngleich es hier mehr Schatten gibt als in der amerikanischen Wüste".

Auf dem Rad ist Strasser ein Mann der Extreme. Wenn andere vom Sattel kippen, wird er gerade erst munter. Im März fiel der 24-Stunden-Weltrekord, in Berlin absolvierte Strasser 896 Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 37 km/h und rund 250 Watt Leistung. Dabei stieg er nur zehnmal ab. Grenzerfahrungen, die der Marathonmann weitergibt. Neben dem Sport hat er sich als Vortragender zum Thema Motivation ein zweites Standbein geschaffen. Der Erfolg steigert den Marktwert, das Race Around Austria soll einen positiven Saisonabschluss bringen. Ob Strasser nach der Ziellinie direkt ins Bett fallen wird? "Keine Zeit, da habe ich hoffentlich etwas zu feiern." (Philip Bauer, 12.8.2015)