Eine so deutliche Kehrtwende in so kurzer Zeit hat es seit Krisenausbruch in Europa nicht gegeben. Nach sechs Monaten ergebnisloser Verhandlungen und einem Nein der Griechen zu weiteren Kürzungen bei einem Referendum am 5. Juli erschien der Euroaustritt des Mittelmeerlandes fast unabwendbar.

Gerade einen Monat später ist alles anders. Die griechische Regierung wollte den Grexit vermeiden. Sie hat sich nun im Eiltempo mit den übrigen Euroländern und der EU-Kommission auf einen neuen Notkredit verständigt. Das Bemerkenswerteste daran: Die ersten Details über die Vereinbarung klingen weniger schlimm als befürchtet. Der Deal ist zwar nicht wachstumsfördernd. Schon wie bisher soll ein Mix aus Liberalisierungen und Einsparungen Hellas dabei helfen, aus der Rezession zu kommen. Aber die Gläubigerländer scheinen bereit zu sein, den Griechen ein wenig mehr Luft zum Atmen zu geben. Die Sparvorgaben an Athen sind weniger strikt als in der Vergangenheit.

Die erste Frage, die einem in den Sinn kommt, lautet: Warum kommt Europa den Griechen dann entgegen, als diese schon alle Waffen gestreckt haben? Die Antwort: Im Schuldenstreit zwischen Athen, Berlin und Brüssel ging es im Kern nie um ökonomische Fakten oder Sachpolitik. Der Konflikt war ideologischer Natur. Die von Berlin angeführte Gläubigerallianz hat einen hegemonialen Kodex vorgegeben. Einsparungen, mehr Wettbewerb und Privatisierungen sollen Südländer wie Griechenland retten.

Die linke Syriza-Regierung in Athen hat dieses Dogma berechtigterweise angezweifelt. Die den Griechen verordnete Pille hat ja in den vergangenen Jahren nicht gewirkt, sondern eine Rezession ausgelöst. Die Arbeitslosigkeit ist auf 25 Prozent geklettert. Syriza wollte daher mit Investitionen und einem Schuldenschnitt aus der Krise kommen. Doch Deutschland und die anderen Gläubiger waren ideologisch nicht kompromissbereit.

Man hat den Griechen aber immer klargemacht: Unterschreibt eine Vereinbarung mit uns auf Basis unserer Prinzipien, und wir werden euch entgegenkommen. Das scheint nun passiert zu sein. Da kommt eine zweite Frage auf: Ist das alles für Griechenland und Europa vorteilhaft? Wirtschaftlich ja. Die gelockerten Sparvorgaben sind ein Schritt in die richtige Richtung, und es ist gut, dass Hellas im Euroraum bleibt. Politisch bleibt Unbehagen zurück. Denn klargeworden ist: Widerspruch wird in Europa derzeit nicht toleriert. (András Szigetvari, 11.8.2015)