Wien – Bei den Arbeitgebern hat sich Wolfgang Katzian naturgemäß keine Freunde gemacht. "Ich halte das für wesentlich überzogen", sagt der Obmann der Handelssparte in der Wirtschaftskammer, Johann Buchmüller.

Katzian, Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten, hatte zuletzt mit neuen Mindestlohnforderungen aufhorchen lassen. Die Untergrenzen in den Kollektivverträgen sollen sich "in Richtung" 1.700 Euro bewegen, deponierte er in der "Presse".

Reaktion auf Schelling

Er reagierte damit auf die Kritik von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), wonach das Arbeitsloseneinkommen in vielen Fällen fast genauso hoch sei wie das Arbeitseinkommen. Arbeiterkammer-Chef Rudolf Kaske gab sich im "Kurier" etwas zurückhaltender. 1.700 Euro seien "ein mittelfristiges Ziel", zunächst gelte es einmal, die Hürde von 1.500 Euro für alle zu schaffen.

Der STANDARD nimmt die Debatte zum Anlass, um sich anzusehen, in welchen Branchen derzeit die niedrigsten Mindestlöhne und -gehälter bezahlt werden und wer von den nun diskutierten Grenzen profitieren würde. Eines vorweg: Die niedrigsten Lohngruppen liegen in den meisten Kollektivverträgen (KV) unter 1.700 Euro brutto im Monat. Von dieser Grenze würden also sehr viele profitieren.

Langjährige Forderung

Es gibt aber auch noch zahlreiche Berufe, in denen laut Österreichischem Gewerkschaftsbund (ÖGB) der Mindest-KV unter 1.500 Euro liegt (siehe Grafik). Aber selbst die Hürde von 1.300 Euro, die bereits seit mehr als fünf Jahren auf der Forderungsliste der Gewerkschaft steht, wird nicht von allen Mitarbeitern genommen.

Zeitungszusteller, Friseure, Floristen oder angestellte Mitarbeiter im Bereich Personenbeförderung liegen bei den Einstiegsgehältern sogar unter 1.200 Euro, ebenso Konditoren. Gleichzeitig gibt es auch Berufe, in denen es überhaupt keine kollektivvertraglichen Mindestlöhne gibt – etwa Fußpfleger, Kosmetiker oder Masseure.

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Floristen haben einen der niedrigsten Kollektivverträge in Österreich.
Foto: APA/EPA/ERIK S. LESSER

Ohne Zulagen

Was bei den Untergrenzen natürlich zu berücksichtigen ist: Mit Zulagen bessern sich viele Mitarbeiter ihren Verdienst auf. Inklusive der Sonntagsdienste kämen beispielsweise die meisten Konditoren auf über 1.500 Euro, erklärt der Innungsmeister in der Wirtschaftskammer, Paulus Stuller, im STANDARD-Gespräch.

Die allgemeine Untergrenze von 1.500 Euro hält er daher für derzeit "sicher nicht realistisch". Und die von Katzian ins Spiel gebrachten 1.700 Euro seien überhaupt "völlig illusorisch". Viele kleine und mittlere Betriebe stünden bereits unter massivem Druck – vor allem an der Grenze zu Ungarn und Tschechien hätten die Unternehmen zu kämpfen, sagt Stuller.

Zahl der Betroffenen

Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat auch berechnet, wie viele Mitarbeiter tatsächlich weniger als 1.500 Euro verdienen. Im Jahr 2013 (aktuellere Daten der Statistik Austria gibt es nicht) waren es demnach 260.000 Menschen. In absoluten Zahlen gab es im Handel die meisten Niedrigverdiener, prozentuell war aber in der Hotellerie und im Gastgewerbe der Anteil am höchsten – wie diese Grafik zeigt.

1.500 Euro im Handel

Was in den AK-Zahlen noch nicht aufscheint: Im Handel konnte im Vorjahr bereits in weiten Teilen ein Mindestlohn von 1.500 Euro erreicht werden. Lediglich bei ungelernten Arbeitern, die einen relativ kleinen Anteil ausmachen, liegt man mit 1.439 Euro noch deutlich unter 1.500. Mittlerweile dürfte die Zahl jener, die weniger als 1.500 Euro brutto verdienen, also deutlich unter 260.000 liegen.

Daher fühle er sich von den Gewerkschaftsdiskussionen auch nicht wirklich angesprochen, sagt Handelsobmann Buchmüller. In den vergangenen Jahren habe man bei den Abschlüssen ohnedies gezielt einen Fokus auf die Niedrigverdiener gelegt, meint er. Außerdem komme es auf das gesamte Gehaltssystem an. 1.700 Euro Mindestlohn seien jedenfalls für den Handel nicht leistbar.

In dieselbe Kerbe schlägt der Kärntner Gastrovertreter der Wirtschaftskammer, Helmut Hinterleitner. Schon der Marke von 1.400 Euro sei ein "zähes Ringen" vorangegangen. Da auf die Gastronomie viele Belastungen zukämen – Stichwort höhere Mehrwertsteuer – seien nun keine großen Sprünge möglich. 1.700 Euro seien daher nur "sehr langfristig" möglich.

Anders sieht das der Präsident der oberösterreichischen Arbeiterkammer, Johann Kalliauer: "1500 bzw. 1700 Euro Mindestlohn ist dringend erforderlich und erfordert eine sofortige Umsetzung. Für die 1500 Euro Mindestlohn ist das Tempo, in dem dieser angepasst werden soll, einfach zu langsam. Wenn dies bis Jahresende nicht umgesetzt wird, sind die Sozialpartner gefordert und müssen den Mindestlohn in einen Generalkollektivvertrag verankern." (Günther Oswald, 12.8.2015)