Das Hotel Aichinger mit angeschlossenem Restaurant liegt in Gehnähe des Attersees.

Foto: Tobias Müller

"Gabelbissen vom Atterseefisch" sind das Highlight der Vorspeisen.

Foto: Tobias Müller

Der Attersee hat viele Vorzüge, zahlreiche tolle Restaurants gehören leider nicht dazu. Nicht oft bekommt man für so viel Geld so fades und schlechtes Essen wie an den Erbtanten-Treffs und Schwiegermütter-Jausenstationen an seinen Ufern. Wer kann, der flüchtet idealweise rüber zum Holzingerbauern am Mondsee. Oder macht das Beste daraus und fährt nach Nußdorf zum Aichinger.

Ein Gebirge und ein See ums Eck, Holzbalkone mit bunten Blumenkisterln, ein Chef in Lederhosen und jede Menge panierte Innereien – der Aichinger in Nußdorf hält, was das Österreich-Klischee verspricht. Die Speisekarte erinnert mehr an Wien denn an Oberösterreich, was den Bayern, die nicht so weit fahren wollen, entgegenkommen mag. Aber auch Ostösterreicher können sich freuen: So feines Beisl-Essen – wenn auch zu Salzkammergut-Preisen – wie hier findet man selten, schon gar nicht in der kulinarischen Fadesse um den Attersee.

Neuer Koch

Bisher wurde der Aichinger von der Mutter des Hauses bekocht, diesen Sommer hat sie sich aus der Küche zurückgezogen. Nun kocht hier Paul Brzon auf, jener Mann, der früher für die Charcuterie-Palette und die gelegentlichen kulinarischen Feste des legendären "Land Art" zuständig war. Ein Hang zum Fleischlichen ist Brzon geblieben: Saisonale leichte Sommergerichte oder kreative Gemüseküche sucht man hier vergeblich. Die Speisekarte liest sich eher wie ein Museumsstück – allerdings eines, dass öfter an die gute alte Zeit erinnert als an die finstere Vergangenheit. Und was zu Tisch gebracht wird, ist fast durchwegs köstlich.

Das Highlight sind die Vorspeisen, allen voran der "Gabelbissen vom Atterseefisch": Lachsforelle und geräucherter Saibling schmiegen sich wohlig zwischen herrlich üppige Fischfond-Creme und zartes Gelee, Fischeier sorgen für Konsistenz-Pepp und Salz. Eine "Sulz vom Haxerl" ist so fein ziseliert und mariniert, dass aus dem deftig-derben Gericht ein subtil-edler Bissen wird – bis hin zu den hauchdünn gehobelten Schalotten. Die "Tagliolini mit Trüffel" – Nudeln frisch und hausgemacht, Trüffeln höchst aromatisch – sind simpel und dekadent köstlich, die (italienischen) Schnecken groß, saftig und fleischig wie nur selten.

Den Hauptgang überspringen

Die Hauptspeisen sind klassischst: Paniertes Hirn ist wolkig und auf den Punkt frittiert, der schön saftig-fette Kalbskopf ist etwas lang in der Sur gelegen, bekommt aber eine Sauce tartare zur Seite gestellt, die so erfrischend ist, wie eine Mayonnaisesauce nur sein kann. Die "gebratene Attersee-Reinanke", eine der wenigen Anflüge von Regionalität, schmeckt eh gut, wenn auch ein wenig pflichtschuldig. Begleitet wird das samt und sonders vom krausen Petersil der 80er und Erdäpfeln, die leider nach zu lange warmgehalten schmecken. Bei nicht allzu großem Hunger und Lust auf Panier ist es eine Überlegung wert, den mittleren Gang auszulassen und gleich das Topfensoufflé zu bestellen – besser wird so ein warmes Topfen-Lüfterl nicht.

Die Weinkarte des Aichinger wurde vom Wechsel in der Küche nicht berührt. Nach wie vor gibt's hier eine Auswahl an deutschen Rieslingen und Burgunder Weinen, wie man sie so in einem Wirtshaus eher nicht findet. Wer bereit ist, um die 80 Euro für eine Flasche auszugeben, der kriegt was für sein Geld und wird seine Freude haben. (Tobias Müller, Rondo, 14.8.2015)