Melanie Ruff nimmt teils wochenlange Recherchen auf sich, um die Herkunft der von ihr produzierten Longboards herauszufinden.

Foto: Corn

Wien – Mit Almromantik hat das Wiener Start-up Ruffboards wenig zu tun, und doch kommt der Rohstoff für ihr urbanes Sportgerät direkt aus den österreichischen Alpen. Das Konzept ist simpel: Ausrangierte Snowboards kurven als neue Longboards auf dem Asphalt weiter, anstatt im Sperrmüll zu landen. Nebenbei schafft das Jungunternehmen feste Arbeitsplätze für Haftentlassene. Dafür heimste es beim diesjährigen Vienna Start-up Award der Wiener Wirtschaftsagentur in der Kategorie "Soziales und nachhaltiges Unternehmertum" kürzlich den ersten Preis ein.

Ein herkömmliches Longboard – der längere Vorgänger des Skateboards – hat in der Regel mehr von der Welt gesehen als sein Besitzer. Die genaue Herkunft verschwimmt im komplexen Geflecht globaler Arbeitsteilung, Konsument und Verkäufer verlieren beim genaueren Hinschauen schnell den Überblick. Diese Erfahrung machten auch Melanie Ruff und Simone Melda, als sie bei einer USA-Reise 2011 anfingen, Fragen zu ihrem liebsten Sportgerät zu stellen.

Surfbrett auf Rollen

Dabei war die Mutter des rollenden Boardsports ursprünglich ein individuelles Handwerksstück: Noch bevor die ersten Skateboarder ausgelassene Swimmingpools in Kalifornien unsicher machten, montierten sich Surfer bei schlechtem Wellengang Rollen an ihre Bretter – das Longboard war geboren. Ähnlich ging es auch bei der Geburtsstunde des ersten Ruffboards zu. Im eigenen Wohnzimmer sägten die beiden Frauen aus bloßer Freude am Probieren an einem alten Snowboard.

Die Idee ist nicht neu, das Firmenkonzept schon. Vier Jahre nach den ersten Versuchen entstehen in der Hofstattgasse in Wien Longboards, die nicht nur technisch ausgereift, sondern auch sozial fair und nachhaltig produziert sind (der STANDARD berichtete). Man sieht den Boards mit Namen "Berti", "fesche Sopherl" und "Pummerin" am individuellen Design an, dass es sich nicht um Massenware handelt.

Bis ein Ruffboard von der Piste aufs Pflaster kommt, geht es nur durch vier Händepaare: die der drei Gründer Melanie Ruff, Simone Melda und Nikolaus Hutter, und die des ersten festen Mitarbeiters, Herbert Polster.

Der Skate-Sport liegt den Gründern im Blut – ein Unternehmen aufzubauen stellte Ruff, die promovierte Historikerin, und Melda, gelernte Zahntechnikerin, vor neue Herausforderungen. Eine Reihe kostenloser Weiterbildungen brachte die beiden in Sachen Unternehmertum auf Schiene: "Ich habe den ersten Entwurf meiner Dissertation abgegeben und mir am nächsten Tag beim Jungunternehmertag einen Leitfaden für die Erstellung eines Businessplans geholt", sagt Ruff.

Von der Wiener Förderkultur spricht die 34-jährige Steirerin in hohen Tönen. Die Institutionen arbeiten eng mit ihnen zusammen und treiben das Projekt voran.

Auch wenn in Bezug auf die Bürokratie der Begriff "elendig" fällt, beschreibt Ruff die Beamten selbst als lösungsorientiert und hilfsbereit. Die Wiener Wirtschaftsagentur hat die Neounternehmerinnen von Anfang an mit Weiterbildungsangeboten und Beratungsgesprächen begleitet, die Förderagentur Austria Wirtschaftsservice AWS förderte die Unternehmensgründung.

Verschlafenes Wien

Heute haben Ruffboards ihre eigene Produktionsstätte im 18. Wiener Gemeindebezirk und einen Pop-up-Store am Donaukanal. Der Sprung in das Haifischbecken Deutschland ist in Planung, nachdem die Verkaufszahlen im gemütlichen, etwas verschlafenen Wien ständig steigen.

Und auch im Team hat sich etwas geändert. "Nachdem wir eigene Räumlichkeiten haben und der Verkauf anzieht, nehmen wir das Risiko auf uns und schaffen selbst feste Arbeitsplätze", sagt Ruff. Erst produzierte das Start-up gemeinsam mit Haftentlassenen im Arbeitstrainingsprogramm des Vereins Neustart, das Menschen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben begleitet.

Ihr erster Mitarbeiter Herbert Polster hat sich dabei als Handwerker und Designer unentbehrlich gemacht: Sein selbst entworfenes Board "Berti" gehört zum Standardsortiment, und auch das kleine Exemplar "Steffi", benannt nach seiner Tochter, geht auf das Konto des gelernten Schlossers, der in seiner Freizeit ebenfalls gerne werkt und schraubt.

Neben dem sozialen Anspruch entwickelt sich auch der nachhaltige Aspekt des Unternehmens ständig weiter. Der Strom kommt aus erneuerbaren Quellen, im Regal stehen Öko-Ordner, und aus den Resten der verarbeiteten Boards entstehen nun Gürtelschnallen oder Board-Halterungen. Dabei verschleiern Ruffboards nicht, dass bestimmte Teile des Longboards immer noch aus China, Taiwan oder von einem unbekannten Produktionsort kommen. "Am Anfang haben wir viel Zeit investiert, um die Herkunft der einzelnen Teile herauszufinden", sagt Ruff. "Da stecken wochenlange Recherchen dahinter."

Suche nach Alternativen

Die Suche nach Alternativen auf großen Sport- und Händlermessen geht weiter. "Ich will nicht auf Kosten anderer leben", sagt Ruff, die sich auch privat über die Herkunft ihrer Einkäufe gerne schlaumacht.

Ihr Wunsch bleibt ein Produkt, das sie zu 100 Prozent vertreten kann. Und auch Polster hat ein persönliches Ziel für seine Arbeit bei Ruffboards: "Es fehlt noch ein Board, das nach meinem Sohn benannt ist." (Marlis Stubenvoll, 14.8.2015)