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Bis zu 150.000 Euro kostet eine Hochzeit in Südkorea. Mit ein Grund, warum Brautpaare auf Billiglokalitäten wie hier in der Nationalbibliothek in Seoul ausweichen.

Foto: Reuters/Kim Hong-Ji

Seit dem vergangenen Jahr müssen sich Seouls ledige Frauen ernsthaft fragen, ob sie weich wie Tofu sind, dickhäutig wie eine Wassermelone oder gar abgehärtet wie eine Walnuss. So lauten die Kategorien eines von der Stadtregierung herausgegebenen Ratgebers mit dem bezeichnenden Titel "Plan B". Mithilfe eines Selbsttests sollen dort alleinstehende Koreanerinnen herausfinden, ob sie für das vermeintlich harte Singleleben gewappnet sind: "Haben dich deine Eltern dafür getadelt, dass du allein leben willst?", lautet etwa die Einstiegsfrage.

Der Staat ist mehr als besorgt um seine demografische Entwicklung: Bereits vier von zehn erwachsenen Koreanern leben unverheiratet – das sind mehr als in jedem anderen OECD-Land. Im Eiltempo sind die traditionellen Familienwerte im konfuzianischen Südkorea auf die Zwänge einer kapitalistischen Hochleistungsgesellschaft geprallt.

So heirateten Südkoreanerinnen noch 1990 im Durchschnitt mit 25 Jahren. Heute tun sie das bereits fünf Jahre später – wenn überhaupt. Gleichzeitig bleibt jedoch die Ehe im konservativen Südkorea das Maß aller Dinge: Nur 0,2 aller Mehr-Personen-Haushalte bestehen aus unverheirateten Paaren, uneheliche Kinder werden noch immer stigmatisiert.

Geburtenrate sinkt rapide

Vor allem wirkt sich der Singleanstieg auf die Geburtenrate aus, die so schnell schrumpft wie in kaum einem Land der Welt. Weniger als 1,2 Kinder bringt die durchschnittliche Koreanerin statistisch zur Welt, vor vierzig Jahren waren es noch viermal so viele. Wenn dieser Trend anhalte, so beklagte jüngst ein Forscher des Korea Institute for Health and Social Affairs, dann werde die Bevölkerung Südkoreas bereits bis 2050 um zehn Millionen schrumpfen.

Kein Wunder, dass die Regierung zu unkonventionellen Methoden greift, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken: Immer öfter tritt der Staat als Verkuppler auf. 2010 organisierte der damalige Gesundheitsminister Cheon Jae-hee erstmals mehrere Dating-Partys für seine Ministeriumsmitarbeiter.

Seitdem wurde das Konzept ausgeweitet: Immer wieder organisieren Ministerien nun öffentliche Speed-Dating-Events oder belohnen Unternehmen mit finanziellen Zuschüssen, wenn sie sich als Ehestifter betätigen.

Bis zu 150.000 Euro

Dabei liegen die sozialen Ursachen ganz woanders als im mangelnden Bindungswillen der Bevölkerung. Allein die exorbitanten Kosten für eine traditionelle Heirat hindern viele Koreaner daran, den Bund fürs Leben einzugehen. Weil der Ehemann traditionell eine Wohnung kaufen muss, kostet eine Heirat laut Regierungsdaten bis zu 150.000 Euro. Und Kinder kommen in Korea ganz besonders teuer zu stehen, vor allem weil die Eltern im ostasiatischen Tigerstaat weltweit am meisten in die Bildung ihrer Sprösslinge investieren.

Zudem leidet der Staat auch unter einer verfehlten Familienpolitik: Zu Zeiten des "Wunders am Han Fluss" wurde die Bevölkerung noch dazu aufgefordert, möglichst wenige Kinder zu bekommen, weil ein zu starker Bevölkerungsanstieg dem Wirtschaftswachstum im Weg stehen könnte. Gleichzeitig wurden noch bis in die 1980er-Jahre Söhne bevorzugt, sodass vermehrt Töchter abgetrieben wurden. Nun fehlt es jedem siebten Mann im klassischen Heiratsalter an einer potenziellen Partnerin.

Nach oben heiraten

Von Frauen wird dabei der Tradition gemäß erwartet, sozial nach oben zu heiraten. Längst sind die Koreanerinnen allerdings im Schnitt gebildeter als die männliche Bevölkerung. Daher ist die Singlerate unter Frauen mit Universitätsabschluss am höchsten, in Seoul sind es gar mehr als ein Drittel.

Oftmals müssen sich karrierebewusste Koreanerinnen noch immer zwischen ihrem Beruf und einer Familie entscheiden. In der chauvinistischen Arbeitswelt der großen Industriekonglomerate haben sie es ungleich schwerer als ihre männlichen Kollegen. Eine beliebte Frage beim Bewerbungsgespräch, um potenzielle Kandidatinnen auszusieben, lautet: "Wollen Sie später Kinder haben?" (Fabian Kretschmer aus Seoul, 9.8.2015)