Als neues Studio eine etablierte Videospielmarke übernehmen zu dürfen ist ein Vertrauensbeweis. Es bedeutet aber auch, viel verlieren zu können. Wenn die Entwickler von Take-Twos frisch gegründeter kalifornischer Schmiede Hangar 13 von "Mafia 3" sprechen, ist ihnen die Mischung aus Stolz und Druck anzumerken. Im Zuge der 30-minütigen Live-Präsentation in einem der vielen dunklen und gut gekühlten Meetingräume auf der Gamescom demonstrierten sie nicht nur eine Fortsetzung der populären Crime-Game-Serie, sondern vor allem ihre Interpretation eines modernen "Mafia"-Spiels. 2016 soll das Game für Windows, PS4 und XBO erscheinen.

Mafia Game

Loyalität bis in den Tod

Die Emanzipation von vorangegangenen Kreativleistungen gelingt mit einem Zeitsprung von den zuvor so plastisch porträtierten Anfängen des organisierten Verbrechens in den USA zum Höhepunkt der Hippieära Ende der 1960er-Jahre und von den Hinterhöfen New Yorks in die dampfenden Gassen New Orleans. Von den Errungenschaften der Friedensbewegung erzählen allerdings andere Geschichten. Verfolgt von den Bildern der Schlachtfelder und der Einsamkeit der Überlebenden ist Vietnam-Krieg-Heimkehrer Lincoln Clay auf der Suche nach so etwas wie einer Familie. Und als ewiges Waisenkind nach einer Vaterfigur. Diese bedingungslose Freundschaft findet er in den Führern einer afroamerikanischen Gang und schwört dafür Loyalität bis in den Tod.

Ein Versprechen, das Lincoln schon bald einlösen muss, als ein italienischer Mafia-Klan sämtliche Kameraden ausradiert. Der Waise ist wieder allein und schwört Rache. Es ist der Anfang einer skrupellosen Jagd auf skrupellose Widersacher und der Einstieg in die erste ausführliche Gameplay-Demonstration.

Bild: Mafia 3
Bild: Mafia 3

Große Illusion

Das virtuelle New Orleans vergangener Tage ist eine Neonlicht geschwängerte Augenweide. Schon wenige Meter eine Straße hinab vorbei an niedrigen Häusern im Kolonialstil und an Glockenhosen tragenden, heftig diskutierenden Passanten reichen, um die Illusion einer Zeitreise aufzubauen. Die schummrige Jazzbar, rassistische Polizeiübergriffe (eine von vielen "Nebenbeschäftigungen" abseits der Story) und die stromlinienförmigen Amy-Schlitten aus denen The Doors trällern, lassen dann keinen Zweifel mehr daran, dass man in der Epoche der freien Liebe und unsagbaren Gewalt angekommen ist. Um die Technikbegeisterung eines Zusehers sprechen zu lassen: Es ist die bisher intensivste, detailreichste Open-World-Kulisse, die man bisher zu Gesicht bekommen hat.

Blutrünstiger Antiheld

Die Suche nach einem Informanten führt in einen Underground-Klub, der vom italienischen Mob geführt wird – der Wechsel in eine weit weniger idyllische Illustration der Unterwelt. Die Schrotflinte gezückt, wird der Laden gestürmt. Ohrenbetäubende Gewehrsalven verstummen für einen Moment das Partygetöse. Ein Mann donnert zu Boden hinter ihm ist die Wand mit Blut getränkt. Fürchterliches Gekreische verdrängt die Stille, eine Schießerei geht los.

Möbel und Gläser zerbersten im Kugelhagel, menschliches Fleisch zerfetzt. Kommen Gegner zu nahe oder überrascht Lincoln diese aus dem Hinterhalt, werden sie kurzerhand exekutiert. Vorrangig mit einem riesigen Buschmesser in den Kopf oder ins Herz oder mit einem Schlag in die Eingeweide gefolgt von einer Schrotladung in den Unterleib.

Es ist eine Brutalität, die nichts von der karikierenden Gewalt eines "Grand Theft Auto" hat, sondern wird überzeichnet, um zu schockieren. Das ist keine Mafia-Romantisierung, sondern ein eiskalter Schlag in die Fresse. Und ein Vietnam-Veteran, der nichts zu verlieren hat, ist der perfekte Protagonist für diesen Höllentrip, bei dem es über Leichen zu gehen gilt. Lincoln ist kein Guter, er ist ein Antiheld.

Bild: Mafia 3
Bild: Mafia 3

Strategische Bestechung

Dieser dunkelrote Kontrast zu der augenschmeichelnden Szenerie, die von den per Boot befahrbaren unterirdischen Kanälen bis hin zu den tief hängenden Baumkronen auf New Orleans berühmten Friedhof führt, spiegelt sich nicht in allen Betätigungsfeldern Lincolns wieder. Um schlussendlich die Informationen aus der Zielperson herauszupressen, zerrt man diese ins Kabrio und fährt so waghalsig wie möglich gegen den Verkehr, bis ihr Angst und Bange ist. Kennt man eher aus "GTA".

Das makabere Make-over des Untergrundklubs fördert wiederum die strategische Seite des Spiels ans Tageslicht. Derartige Unterschlüpfe können erobert werden und dienen dem Aufbau der eigenen Gang. Um diese zu halten, unterstellt man sie Leutnants und sichert sich mit Schmiergeld Polizeiprotektion. Eine ganz wesentliche Verschränkung zwischen Gut und Böse, die dafür sorgt, dass man bei seinen Verbrechen nicht in die Fänge der Behörden gerät. Sind einem Streifenwagen auf den Fersen, genügt ein Anruf beim zuständigen Polizeidirektor, um die Fahndung abbrechen zu lassen. Zu Hilfe kommen zu dem gealterte bekannte Gangster wie Vito Scaletta, Protagonist von "Mafia 2".

Bild: Mafia 3
Bild: Mafia 3

Der Spaß am Nero-Sein

Dennoch bleibt kein Verbrechen ungesühnt. Es dauert nicht lange, bis die Aktion im Klub gerächt wird und Lincoln unterwegs im Auto massiv unter Beschuss gerät. Spätestens hier entdeckten die Designer ihre Schwäche für doch ein wenig humoristische Übertreibung. Trifft man die Reifen fahrender Vehikel, beginnen diese kurzerhand zu brennen, bis der Wagen wenig später in einer unfassbaren Explosion in die Luft geht. Das ist nicht realistisch und soll es auch nicht sein.

Es macht einfach Spaß, Nero zu spielen und schöne Dinge zu zerstören, und es ist eine exzellente Art, die grafischen Muskeln zucken zu lassen. Nicht alles läuft bereits rund, die Bildrate der gezeigten PC-Fassung ist stellenweise überall nur nicht im Idealbereich. Und ob der massiven Anforderung einer frei erkundbaren und derart vielseitigen Welt wird Hangar 13 bis zur geplanten Veröffentlichung 2016 noch jede Menge Feinschliff walten lassen müssen. Doch Wahnsinn, sieht das cool aus.

Bild: Mafia 3
Bild: Mafia 3

Orchester der Vernichtungskunst

Die Verfolgungsjagd mündet in einem Stand-off. Von Feinden eingekreist kommt es zur Massenballerei. Fensterscheiben werden durchlöchert, anstürmende Gegner mit dem MG niedergestreckt und immer und immer wieder explodiert etwas. Ein Orchester der filmreifen Vernichtungskunst. Michael Bay tönt aus allen rauchenden Rohren, doch schlussendlich hat einer gegen alle keine Chance und The Doors setzen sich durch: "This is the end, beautiful friend." (Zsolt Wilhelm, 9.8.2015)