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Belgiens Fußballfreunde sind Außergewöhnliches gewohnt.

Foto: apa/epa/valat

Belgien – Belgiens Fußballnationalteam boomt. In der neuen FIFA-Weltrangliste steht nur noch Argentinien vor den "Roten Teufeln", die sich nun gar vor Weltmeister Deutschland geschoben haben. Die Begeisterung um das Team ist gewaltig. Auf Klubebene aber ist alles anders. Die Spitzenklubs Anderlecht und Brügge sind finanziell abgehängt und hinken der europäischen Spitze soweit hinterher wie wohl noch nie.

Auch deshalb wird seit einigen Jahren mit teils radikalen Reformen versucht, die Liga-Formate derart umzumodeln, dass gleichzeitig mit deren Attraktivität auch die Wettbewerbsfähigkeit der Vereine gesteigert sein möge. Das Ergebnis: nirgendwo in Europa wird eine Fußballmeisterschaft auf komplexere Weise administriert wie in Belgien.

Seit der Saison 2009/10 fächert sich alleine die höchste Spielklasse, die 16 Teilnehmer umfassende Jupiler Pro League, nach einem Grunddurchgang in nicht weniger als drei Playoff-Gruppen auf. In einer wird nach Halbierung der Punkteausbeute ein Meister ermittelt, in der zweiten geht es darum, welche Mannschaft sich mit dem vierten des Meisterplayoffs um den letzten Europacup-Platz duellieren darf. Im letzten – und besonders skurrilen – Ausscheidungskampf treten der 15. und 16. fünfmal gegeneinander an.

Danach steht endlich ein Letzter (und damit Absteiger) fest. Der Gewinner dieses Abnützungsduells ist aber mitnichten gerettet; stattdessen erwirbt er sich die Ehre in einem – richtig geraten! – Playoff gegen den Zweiten, Dritten und Vierten der zweiten Liga um den Klassenerhalt weiterkämpfen zu dürfen. Soweit so übersichtlich.

Und es geht munter weiter. Diesmal haben die Reformatoren eben jene "Tweede Klasse" ins Visier genommen. 17 Mannschaften starten an diesem Wochenende in die neue Spielzeit (Eendracht Aalst wurde die Lizenz verweigert), in einem Jahr wird es weniger als die Hälfte sein. Die Staffel wird nämlich auf dann nur noch acht Profi-Vereine verschlankt, abgespeckt, rasiert.

Will man zu den Glücklichen zählen, die in der neuen "Ersten Klasse B" verbleiben, muss am Ende also ein Platz in der oberen Tabellenhälfte erreicht werden. Der Rest wird in eine mit Drittklasslern aufgefüllte, sogenannte "Superliga Amateurs" abgeschoben. Aufsteigen darf nur noch der Champion. Klingt höchstens super, ist es aber nicht.

Zwischen Wettrüsten und Selbstaufgabe

Wie reagiert man als Vereinsverantwortlicher auf eine solch wunderliche Perspektive? Zu befürchten ist einerseits ein Wettrüsten der Ambitionierten – mit allen Gefahren etwaiger finanzieller Überhebungen. Cercle Brügge und Lierse, die Pro-League-Absteiger 2015, aber auch der nun schon ewig in der Zweitklassigkeit grundelnde Traditionsklub Royal Antwerpen fallen wohl in diese Kategorie.

Andererseits scheint eine Reihe von Klubs das Rennen bereits aufgegeben zu haben, ehe es überhaupt begonnen hat. Diese wollen um keinen Preis etwas mit der künftigen 1B zu tun haben, da deren Ansprüche budgetär nicht zu stemmen sind. Ihnen steht eine Spielzeit ohne Ziel und Ambition bevor, die es eigentlich nur auszusitzen gilt. Es bleibt nicht viel mehr, als eine ausgedehnte Abschiedstour.

Je nach Verlauf der Hinrunde dürften spätestens zur Halbzeit des Bewerbs noch weitere Hoffnungslose zu dieser Gruppe stoßen, jene Teams nämlich, die zu diesem Zeitpunkt bereits tabellarisch abgeschlagen dastehen werden.

Zusätzlich wird es ein Mittelfeld geben, das zwar noch Chancen auf einen Platz unter den besten Acht, keine aber auf den allein seligmachenden Titel haben wird. Für eine erkleckliche Anzahl an Mannschaften dürfte es also ziemlich schwer sein, Spannkraft und Motivation ins Frühjahr hinüberzuretten. Es droht spätestens dann eine große Anzahl Matches ohne sportliche Relevanz. (Michael Robausch – 7.8. 2015)