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Es kommen einfach die falschen Ausländer zu uns. Nämlich die ungebildeten. Und deren Kinder erst! Ausländerkinder sind viel schlechter als unsere Schulkinder und machen die Schulen kaputt." Postings wie dieses lese sie häufig auf Facebook, sagt Nina Horaczek – und in immer schnellerer Abfolge. Dadurch werde es immer schwieriger, solchen kurz und bündig geschriebenen Vorurteilen argumentativ zu begegnen.

Weil sich aber junge Menschen zumeist und überwiegend über die sozialen Netzwerke informieren, wäre es immens wichtig, sie ebenso kurz und bündig mit Zahlen, Daten und Fakten auszustatten, die auch stimmen und die so lancierten Vorurteile gleichsam automatisch in Luft auflösen.

Das dachte sich die Falter-Journalistin, und das dachte sich auch der Jurist Sebastian Wiese. Die beiden taten sich zusammen, und herausgekommen ist – kein gemeinsamer Facebook-Account zum Thema, dafür, alt aber gut, ein Buch mit dem lapidaren Titel Gegen Vorurteile. Schon auf dem Cover steht die Gebrauchsanweisung: "Wie du dich mit guten Argumenten gegen dumme Behauptungen wehrst".

Ich geh Schule

Zurück zum Vorurteil "ungebildete Ausländer": Die gute Nachricht sei, dass Migranten im Bildungsbereich stark aufholen, schreiben Horaczek und Wiese. In Österreich liegt etwa die Akademikerquote der 25- bis 64-jährigen Migranten bei 18,6 Prozent, bei den Österreichern ohne Migrationshintergrund liegt sie knapp darunter, bei 18,4 Prozent.

Wahr ist freilich auch, dass jeder fünfte Migrant im Jahr 2011 weder die Schule besuchte noch einen Ausbildungs- oder sonstigen Arbeitsplatz hatte. Besonders die Nachkommen türkischer Gastarbeiter schneiden bei Bildungsvergleichen tendenziell schlechter ab, Migrantenkinder aus Polen oder Russland haben dagegen oft ein sehr hohes Bildungsniveau.

Die Sache ist also differenziert zu betrachten, und um diesen Blick geht es den Autoren. Sie machen im Bildungskapitel einen Ausflug in Richtung Ethnolekt ("Ich geh Schule") und beschreiben, wie dieser längst in Lehrerzimmern und in der Werbesprache, also im Mainstream, angekommen ist. Und warum? Weil es als "cool" gilt, so zu sprechen – auch in den noblen Vierteln, wo es kaum Bewohner mit Migrationshintergrund gibt.

2011 haben Horaczek und Wiese schon einmal ein Buch gegen Vorurteile recherchiert und geschrieben, dieses hatte über 3000 Fußnoten und war, wie Autorin Horaczek selbstkritisch gegenüber dem Standard anmerkt, "streckenweise vielleicht etwas sperrig zu lesen". Dennoch verkaufte sich das Buch gut, und die beiden Autoren bekamen, nach eigener Aussage, "erstaunlich viel positives Echo", vor allem von Lehrern und Eltern. Der Entschluss, ein Jugendsachbuch gegen Vorurteile zu schreiben, war bald gefasst.

Argumentationshilfen

Das nun frisch erschienene Buch ist von Grund auf neu geschrieben, ohne Fußnoten, dafür mit neuen Kapiteln – etwa jenem zur Homosexualität, das viele junge Menschen sehr beschäftige, sagt Horaczek. Auch dieses Kapitel trägt, wie die anderen, einen provokanten Titel: "Homosexualität ist eine Krankheit" – was gleich darauf widerlegt, mit einem historischen Aufriss der Homosexuellen-Diskriminierung und einer Liste berühmter Homosexueller ergänzt wird.

Wer das Buch neben den Computer legt, wird feststellen, dass die handliche Argumentationshilfe gar viele dumme Behauptungen abdeckt, die beim Internetsurfen so auftauchen: nicht nur das Thema Ausländer in allen Facetten, sondern auch "Die Jugend wird immer gewalttätiger", "Frauen sind doch längst gleichberechtigt" über "Wer ein Kopftuch trägt, will sich nicht integrieren" bis hin zu "Den Holocaust hat es nie gegeben".

Auch der Europäischen Union werden mehrere Kapitel gewidmet und in die gängigen Klischees aufgesplittet: "Die EU ist undemokratisch", "Die EU ist ein Verwaltungsmoloch", "Die EU schikaniert uns mit sinnlosen Verboten". Es folgt ein lehrreicher kleiner Exkurs in die Welt der europäischen Institutionen, die Fragen von Demokratie, Legitimation und Kontrolle werden aufgeworfen, die Aufwertung des Europäischen Parlaments erklärt und widerlegt, dass die EU ein "Verwaltungsmoloch" sei: 55.000 Mitarbeiter arbeiten für die einzelnen EU-Institutionen. Um die Verwaltung der Stadt Wien kümmern sich 65.000 öffentlich Bedienstete.

Wer nun meint, Gegen Vorurteile sei das geeignete Buch zur Belehrung und Erbauung des eigenen, hoffnungsvollen Nachwuchses, gleichzeitig aber fürchtet, dieser werde so etwas Altmodisches wie ein Buch sowieso nicht lesen, der sei beruhigt: Das Werk gibt es auch als E-Book. (Petra Stuiber, Album, 7.8.2015)