Kabul – Bei einem Selbstmordanschlag auf die Polizeiakademie von Kabul sind am Freitag 25 Menschen getötet worden, wie ein Vertreter der Sicherheitskräfte mitteilte. Ein hoher Mitarbeiter des afghanischen Geheimdiensts sagte, der Attentäter, der zu Fuß unterwegs gewesen sei, habe sich in der Nähe der Akademie in die Luft gejagt, als gerade Polizeianwärter in die Schule zurückkehrten.
Er habe eine Polizeiuniform getragen und es daher nah an eine Gruppe von Polizisten heran geschafft. Mehr als 20 Polizeianwärter seien bei dem Anschlag verletzt worden. Die aufständischen Taliban bekannten sich über einen Sprecher zu dem Angriff.
An der im Westen Kabuls gelegenen Polizeiakademie beenden jedes Jahr bis zu 3000 Polizeianwärter ihre Ausbildung.
Es war der zweite Anschlag in Kabul innerhalb von weniger als 24 Stunden. In der Nacht zu Freitag waren bei der Detonation einer Bombe in einem Lastwagen in der Stadt nach Regierungsangaben mindestens 15 Menschen getötet und 250 weitere verletzt worden. Unter den Verletzten waren 37 Kinder.
Der Lkw explodierte in der Nacht auf Freitag in einem Wohnviertel, zerstörte Häuser und riss einen Krater von zehn Metern Tiefe in die Straße, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Viele Menschen wurden im Schlaf durch zerberstende Scheiben verletzt. Der verheerende Anschlag ereignete sich kurz nach Mitternacht in dem dicht besiedelten Viertel Schah Schahid im Osten der afghanischen Hauptstadt in der Nähe einer Militärbasis. Unter den Trümmern wurde nach Angaben der Polizei noch nach Verschütteten gesucht.
Offensive ausgeweitet
Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. Doch hatten die radikalislamischen Taliban zuletzt ihre Angriffe im Zuge ihrer Sommer-Offensive ausgeweitet. Erst am Donnerstag waren bei einer Reihe von Anschlägen auf afghanische Sicherheitskräfte neun Menschen getötet worden.
Es handelte sich um den ersten größeren Angriff in der afghanischen Hauptstadt seit der Bekanntgabe des Todes des langjährigen Taliban-Anführers Mullah Omar in der vergangenen Woche. Mullah Achtar Mansur wurde zum neuen Anführer bestimmt, er ist aber intern umstritten.
Zwar gilt Mansur als Unterstützer der stockenden Friedensgespräche mit Kabul, zugleich forderte er seine Anhänger aber auf, den seit 14 Jahren andauernden Aufstand fortzusetzen. Die afghanischen Sicherheitskräfte müssen erstmals eine Sommeroffensive der Taliban so gut wie allein bewältigen, denn die US-geführte NATO-Truppe hatte ihren Kampfeinsatz in dem Land im vergangenen Dezember beendet. Für Ausbildungs- und Anti-Terror-Missionen sind aber noch rund 13.000 Soldaten geblieben.
"Verachtenswerte Gewalttat"
Die NATO-Mission in Afghanistan verurteilte den Anschlag vom Freitag als eine "verachtenswerte Gewalttat". Ein Taliban-Sprecher sagte, er habe "keine Kenntnis" von dem Anschlag. Allerdings sind die radikalislamischen Kämpfer dafür bekannt, sich von Angriffen zu distanzieren, bei denen viele Zivilisten unter den Opfern sind.
Die Krankenhäuser in Kabul waren nach Angaben der Behörden wegen der vielen Verletzten am Freitag völlig überlastet. Berichten zufolge gab es nicht ausreichend Blutkonserven, im Internet zirkulierten dringende Aufrufe für Blutspenden.
Die Vereinten Nationen hatten erst am Mittwoch einen Bericht veröffentlicht, demzufolge im ersten Halbjahr 2015 die Opferzahl unter Zivilisten einen Höchststand in Afghanistan erreichte. Demnach wurden 1592 Zivilisten getötet, was zwar ein Rückgang um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist, doch die Zahl der Verletzten stieg um vier Prozent auf 3329. Insgesamt erreichte die Zahl der Todesopfer ihren höchsten Stand seit Beginn dieser UN-Berichte im Jahr 2009.
Die aktuelle Eskalation der Gewalt spiegelt nach Ansicht von Analysten den Versuch des neuen Taliban-Führers Mullah Mansur, sein Image zu stärken und die Aufmerksamkeit von den internen Differenzen abzulenken. Der in Kabul ansässige Militär-Analyst Mirsa Mohammed Jarmand sagte: "Die neue Angriffswelle zeigt, dass Mullah Mansur nicht besser ist als Mullah Omar." (APA, 7.8.2015)