Beim Spazierengehen mit dem Hund bekommt die alte Dame (Christine Ostermayer, rechts) Geschichten aus ihrem eigenen Leben zu hören.

Foto: Bernd Schranz

Telfs – Wer kennt sie nicht, die alte alleinstehende Dame, die tagaus, tagein ihren Hund ausführt, die Straße auf- und abspaziert, ihren Vierbeiner hätschelt und bei Gelegenheit mit den Nachbarn spricht?

Die vom bayerischen Allroundkünstler Georg Ringswandl eigens für die diesjährigen Tiroler Volksschauspiele Telfs komponierte und von Susi Weber inszenierte (Sprech-)Oper Der Hund, der Hund erzählt die Geschichte ebensolcher Begebenheiten.

Hunde lieben Monotonie

Es ist ein routinierter Spaziergang, den die alte Dame (Christine Ostermayer) mit ihrem Vierbeiner vollzieht, ein Spaziergang, der weder Abkürzungen noch Abweichungen kennt, denn während Menschen die Abwechslung suchen, lieben Hunde die Monotonie.

Und während Frauchen mit Hündchen spaziert, begegnet sie ihren Nachbarn: der in ihrer Beziehung gelangweilten jungen Frau von nebenan (Lisa Hörtnagl), deren dynamischem, der alten Dame gegenüber jedoch rücksichtslosem Lebensgefährten (Andreas Mittermeier) und dem mürrischen, besserwisserischen älteren Herrn aus dem oberen Stock (Klaus Rohrmoser). Eine langweilige Geschichte also, die wir unzählige Male gehört, gelesen, gesehen oder sogar miterlebt haben.

Doch diese (vermeintliche) Trivialität ist die Stärke des Stückes. Denn prima facie erscheinen die Charaktere als Nachbarn, bei genauerem Hinsehen jedoch sind es "Geister" und "Stimmen" aus der Vergangenheit der Dame – ihr Mann, ihr Chef, ihr Liebhaber, ihr Friseur und ihr verunglückter Sohn.

Der Hund, der Hund ist eine gelungene Verdichtung des Lebens. Das Stück erzählt, mit Tiefgang und Humor, von Sonnen- und Schattenseiten des Lebens, vom unvermeidlichen Teilhaben am Schicksal anderer und letzten Endes davon, wie dieses je eigene Leben im Alter retrospektiv betrachtet gehandhabt wird.

Theater am Balken

Diese unterschiedlichen Dimensionen des Lebens werden durch das eingespielte und namhafte Ensemble gekonnt in Szene gesetzt, sodass die Zuschauer nicht nur von Klang, Gesang und Text berieselt, sondern stets motiviert werden, das eigene "Mehr" des Stückes zu suchen und zwischen den Zeilen zu lesen.

Austragungsort des Stückes ist der Kranewitter Stadl, eine Scheune, die seit Jahren als Bühne fungiert. Und wer die Bühne auf Augenhöhe sucht, sucht vergebens. Das Stück wird nämlich großteils auf den Balken und auf einer dafür eigens angefertigten Plattform aufgeführt. Eine, im wahrsten Sinne des Wortes, "interaktive Oper für gemischtes Publikum". (Marco Russo, 6.8.2015)