Auch wenn der Blick noch nicht nach vorn gerichtet ist, stimmt die Richtung: Patricia Clarkson und Ben Kingsley in "Learning to Drive".

Foto: Thimfilm

Deutscher Trailer.

Alamode Film

Wien – "Das größte Problem sind die anderen Leute. Man kann sich nie auf sie verlassen." Die Worte des Fahrlehrers an seine Schülerin betreffen zwar die unachtsamen Verkehrsteilnehmer, die der Anfängerin ständig vor das Auto laufen und jede Regel des geordneten Miteinanders missachten, richten sich im Grunde aber an alle Mitmenschen, die einem das Leben erschweren. Andererseits ist man aber nicht allein auf der Welt, was letzten Endes zum Glücklichsein erheblich beiträgt.

Die New Yorker Literaturkritikerin Wendy (Patricia Clarkson), nach einundzwanzig Jahren Ehe soeben von ihrem Mann verlassen worden, nimmt also Fahrstunden fürs Leben, und das könnte sie nicht, wenn sie nicht zufällig im Taxi von Derwan (Ben Kingsley) gelandet wäre, einem gebürtigen Inder, der tagsüber als Fahrlehrer arbeitet, um über die Runden zu kommen. Denn dieser ist die Ausgeglichenheit in Person, ein gutmütiger, aber strenger Mann, der mit Weisheit und Weitsicht auf alle Lebensfragen eine Antwort zu haben scheint.

Es ist ein seltsames Paar und eine noch seltsamere Beziehung, die Learning to Drive zusammenbringt. Seltsam, weil Wendy und Derwan aufgrund ihrer Herkunft und Sozialisierung grundverschieden sind; seltsam aber auch, weil sich doch viele Gemeinsamkeiten finden, die es den beiden erlauben, zarte Bande zu knüpfen. Das liegt in erster Linie am Tonfall dieses Films: Was eine belanglose Culture-Clash-Komödie hätte werden können, machen die Regisseurin Isabel Coixet (Mein Leben ohne mich) und nicht weniger ihre Drehbuchautorin Sarah Kernochan (Sommersby) zu einem kleinen Stück Alltagsphilosophie.

Hilfe zur Selbsthilfe

"Sie sind meine Zuversicht", meint Wendy einmal zu Derwan und gibt ihm damit zu verstehen, dass es für sie unmöglich ist, die für sie notwendige Grenze zwischen ihnen zu überschreiten. Denn während die Schülerin darum kämpft, die Trennung zu verarbeiten, steht dem als Sikh in seiner Heimat verfolgten Lehrer eine arrangierte Hochzeit bevor. Das eine erweist sich wie das andere als Prüfung: Rückblick und Vorausschau können manchmal dasselbe sein.

So bedeutungsschwer manche Dialogzeile ("Für mich ist Fahren gefährlicher als Stehen") auch sein mag, ist Learning to Drive gleichzeitig von angenehmer Leichtigkeit. Coixet vermeidet es, Szenen groß auszuspielen, seien es die Niederlagen oder die Siege. Die Rückkehr Wendys in den Arbeitsalltag oder ihre in anderer Hinsicht arrangierte Liebesnacht geschehen nahezu beiläufig. Und auch wenn es am Ende natürlich für alle weitergeht, weil es weitergehen muss und die Lebensampel hoffentlich auf Grün gesprungen ist, lässt dieser Film einen doch erkennen, dass der beste Fahrlehrer nichts nützt, wenn man nicht bereit ist, sich selbst etwas Neues beibringen zu wollen. (Michael Pekler, 6.8.2015)