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Derzeit halten sich um die 4.000 Asylwerber in Traiskirchen auf. Viele schlafen im Freien.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Wien/München/Traiskirchen – Die Krise um die Unterbringung von Flüchtlingen hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Seit Mittwoch bringt das Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen keine weiteren Menschen unter. Den Aufnahmestopp hatte das Land Niederösterreich nach einer gesundheitsbehördlichen Untersuchung in der überfüllten Anlage verhängt. Derzeit halten sich dort um die 4.000 Asylwerber auf.

Erste Verfahrensschritte dürfen nach wie vor in Traiskirchen durchgeführt werden, sollen aber vor allem in den neuen Verteilerzentren erfolgen. Auch Polizeigefängnisse werden teilweise adaptiert. "Die Asylbewerber werden nicht eingesperrt, können sich frei bewegen", so Karlheinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums.

Insgesamt wurden 1.600 neue Plätze zur Unterbringung der Flüchtlinge geschaffen. Noch immer zu wenig, um die Obdachlosigkeit jener Menschen zu beenden, die in Traiskirchen im Freien schlafen. "Die Suche nach neuen Quartieren ist mit dem heutigen Tag nicht beendet", so Grundböck zu Ö1 am Mittwochmorgen.

Amnesty-Besuch in Traiskirchen am Donnerstag

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wird am Donnerstag drei Experten, unter anderem aus den Bereichen Menschenrechte und Medizin, zur Asyl-Betreuungsstelle in Traiskirchen schicken, begleitet von einem Dolmetscher. Das kündigte eine Sprecherin an. Die Besichtigung des überfüllten Lagers war vergangene Woche zwischen Amnesty und Innenministerium vereinbart worden. Start des Besuchs ist um 10.30 Uhr, wobei Medienvertreter nicht mit aufs Gelände dürfen.

Volksanwaltschaft kritisiert Zustände in Traiskirchen

Die Volksanwaltschaft hat am Mittwoch erneut auf "unerträgliche" Zustände im Asyl-Erstaufnahmezentrum Traiskirchen hingewiesen. Dies gelte vor allem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, sagte Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) in einer Pressekonferenz. Die geplanten Regierungsmaßnahmen begrüßte er.

Es bestehe jedoch die Sorge, dass nach dem Aufnahmestopp das Lager zur "Falle" werden könnte. Diese Befürchtung äußerte Rechtsanwalt Franjo Schruiff, der als Kommissionsleiter der Volksanwaltschaft das Lager am 15. Juli inspiziert hat. Weil die Länder nun die Flüchtlinge direkt übernehmen, könnte es passieren, dass die in Traiskirchen verbleibenden Menschen dort "gefangen" bleiben, meinte er.

Schruiff zeichnete gemeinsam mit Kräuter und dem Arzt Siroos Mirzaei ein schauerliches Bild der Lage im Lager. Man habe Mitte Juli 3.828 Menschen im Lager vorgefunden (zuletzt waren es sogar rund 4.500), davon 1.588 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Von diesen hatte die Hälfte kein Bett.

Mehr als 17.000 Entscheidungen im ersten Halbjahr

Der massiv angestiegenen Zahl der Asylanträge entsprechend wurden in Österreich im ersten Halbjahr 2015 auch schon fast so viele Asylentscheidungen getroffen wie im gesamten Vorjahr. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat nach eigenen Angaben von Jänner bis Ende Juni 17.472 Asylentscheidungen gefällt, im gesamten Vorjahr waren es 18.196.

In 34 Prozent der Fälle wurde Asyl gewährt. Im gesamten Jahr 2014 waren 39 Prozent der Asylanträge positiv beschieden worden. In diesen 17.472 Entscheidungen sind auch 3.956 sogenannte Dublin-Fälle enthalten, bei denen ein anderer Staat für die Prüfung auf internationalen Schutz zuständig ist. Das sind bereits um 17 Prozent mehr Dublin-Entscheidungen als im gesamten Jahr 2014.

Die Zahl der Asylanträge ist im ersten Halbjahr auf 28.311 gestiegen. Das sind bereits mehr als im ganzen Jahr 2014, in dem insgesamt 28.027 Personen in Österreich um Asyl angesucht haben.

1.745 zwangsweise Abschiebungen

Das BFA hat nicht nur die Zahl seiner Asylentscheidungen im ersten Halbjahr 2015 gesteigert, sondern auch jene nach dem Fremdenrecht. So gab es um drei Prozent mehr aufenthaltsbeendende Entscheidungen als im vierten Quartal des Vorjahres. Insgesamt erfolgten in den Monaten Jänner bis Ende Juni 4.164 Außerlandesbringungen, davon 1.745 zwangsweise (1.017 Abschiebungen und 728 Dublin-Überstellungen) und 2.419 freiwillige Ausreisen. Damit erfolgten fast so viele Außerlandesbringungen wie im gesamten Jahr 2014 (5.966).

Insgesamt hat das BFA im ersten Halbjahr 41.095 Entscheidungen getroffen (im ganzen Jahr 2014: 64.477), davon 21.198 im Bereich des Fremdenrechts und 19.897 im Asylbereich (dazu zählen auch Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen und Verlängerungen für subsidiär Schutzberechtigte). (red/APA, 5.8.2015)