Ingeborg Hanreich: Essen & Trinken in der Schwangerschaft.
Hanreich Verlag 2015, 104 Seiten, Euro 14,90

Es gibt Menschen, die gehen die Dinge recht hemdsärmelig an. Ingeborg Hanreich zum Beispiel. Sie ist Ernährungswissenschafterin mit Sendungsbewusstsein. Information ist alles, scheint ihr Credo. Sie hat zahlreiche Bücher zu Ernährung in sämtlichen Lebenslagen verfasst, das neueste ist "Essen & Trinken in der Schwangerschaft".

Dass die Schwangerschaft eine Lebensphase ist, in der sich vieles von Grund auf verändert, ist eine allgemein bekannt Tatsache. Wer bis dahin bedenkenlos alles Mögliche in sich hineingestopft hat, fängt plötzlich an zu überlegen: "Darf ich oder darf ich nicht? Ist es gut für mein Kind oder schadet es?" Und weil sich die meisten Frauen bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht intensiv mit Ernährungsempfehlungen für diese spezielle Phase im Leben befasst haben, ist ein Buch doch eine ganz gute Sache.

Zwischen Heißhunger und Verboten

Prinzipiell ist alles im Buch interessant, doch die Umsetzung dieses Büchleins ist nicht wirklich verführerisch. Hanreich schreibt auf, was es zu wissen gibt. Kurz und kompakt. Mit Wissenskästen, die sie rosarot einfärbt.

In denen findet sich allerhand Technisches. Nährwerte, Gewichtstabellen, Kalorienangaben: Wer sich bis dahin für diese Dinge nicht interessiert hat, wird mit dieser Art der Aufbereitung wohl wenig anfangen können.

Das Buch liest sich wie das Skript einer Vorlesung. Und tatsächlich. Da gibt es allerhand zu erfahren. Besonders gut kennt sich die Autorin im Bereich der Nährstoffe und Spurenelemente aus, die Schwangere brauchen. Besonders dann, wenn sie sich vegetarisch oder vegan ernähren oder von Allergien betroffen sind.

Wissen in kleinen Portionen

Im Gegensatz zu Skripten sind die Kapitel sehr kurz gehalten. Es ist also leicht zu lesen. Dazu gibt es praktische Tipps: Kein Tonic, viel Fisch, keine Wildpilze und "Achtung vor rohen Nahrungsmitteln". Schwangere sollten sich zu zwei Drittel pflanzlich ernähren, Zuckerbomben meiden und regelmäßige Essenszeiten einhalten. Wer Heißhunger hat, sollte fünf bis sechs kleine Mahlzeiten essen.

"Ja, eh!", will man der Autorin zurufen, weil sie einem so gar keine Lust auf gutes Essen macht. Ihr Beispiel für einen Tagesplan ist so freudlos (Vollkornbrot morgens, Fleisch mit Kartoffelpüree mittags und Kürbisrisotto abends, dazwischen Obst), dass es schwer fällt, nicht automatisch an total Ungesundes (Chips, Eiscreme, Schokolade) zu denken. Ein Kapitel mit Rezepten sucht man jedenfalls vergeblich.

Auch die Fotos, die Hanreich verwendet, vermitteln ein schräges Bild von Schwangerschaft. Schon das Cover ist in seiner Klischeehaftigkeit befremdlich, die selbe Frau ist im Inneren des Buches mehrmals in unterschiedlichen Posen abgebildet: Auf der Waage in rosa Puschelhausschuhen zum Beispiel, mit einem Brokkoli in der Hand oder auf einem Ohrensessel beim Lesen eines Buches, das ebenfalls von Ingeborg Hanreich verfasst wurde.

Achtung, Achtung

Frauen, die sich bis dahin als modern und zeitgemäß empfunden haben, könnten beim Durchblättern das dumpfe Gefühl befallen, dass die schönste Zeit im Leben jetzt vorüber ist.

Grund für diese Schwächen im Layout ist wohl, dass Hanreich ihre Bücher im Eigenverlag produziert. Ohne Art-Director wahrscheinlich. Das spart Geld. Dass sie im eigenen Buch für ihre anderen Werke Werbung macht, ist ein zweiter Hinweis. So erfährt die Leserin, dass sie sich auf der Hanreich-Website Informationszettel zu weiteren Ernährungsfragen um 0,90 Euro downloaden kann.

Angesichts der Flut an Büchern zum Thema scheint Marktrecherche keine von Hanreichs Stärken zu sein. Schwangere, die wenig Wert auf Äußerliches legen, könnten sich durch dieses Buch möglicherweise aber trotzdem gut beraten fühlen. Hanreich verpackt ihr Ernährungswissen zumindest in kleine, gut verdauliche Portionen. Wie so oft ist alles Geschmackssache, auch und gerade in der Schwangerschaft. (Karin Pollack, 10.8.2015)