Obacht, gestrecktes Bein! Máté Mészáros Stück "Hinoki" orientiert sich am Action-Tanz eines Wim Vandekeybus.


Foto: Impulstanz

Wien – Der eine arbeitet virtuos an Oberflächen, der andere bohrt gern tiefer in die Schichten der Wirklichkeit. Máté Mészáros aus Ungarn und der US-Amerikaner Keith Hennessy, die beide Arbeiten bei Impulstanz zeigen, stehen für zwei konträre Ansätze im Gegenwartstanz.

Der 40-jährige Mészáros trat im Rahmen des Impulstanz-Nachwuchsformats [8:tension] auf, für das er definitiv zu alt ist. Bestechend in seinem Gruppenstück Hinoki, das mit der Säulenhalle des Odeon einen großzügigen Ort gefunden hatte, ist die Dynamik und die Körperbeherrschung der Tänzerinnen und Tänzer. Als reifer Choreograf bewältigt er spielend die Aufgabe, ihnen eine Bewegungspartitur zu vermitteln, an der sie sich so richtig verausgaben können.

Hier werkt einer, der unter anderem zehn Jahre lang Tänzer bei Wim Vandekeybus (52) war, und das hat seinen Stil – leider allzu – erkennbar geprägt. Der berühmte Belgier hat eine unverwechselbare, rasante und gefährlich aussehende Art zu tanzen entwickelt, die Ende der 80er-Jahre einschlug wie eine Bombe. Damals gehörte Vandekeybus zu den weltweit einflussreichsten zeitgenössischen Choreografen.

Warum sollte sich nicht auch heute wieder jemand mit diesem Actiontanz auseinandersetzen? Doch hier liegt auch schon Máté Mészáros' Problem: Ein bloßes Zusammenmischen verschiedener Einflüsse geht noch nicht als Auseinandersetzung durch. Und wenn als inhaltlicher Vorwand auch noch bloß ein flächiges Bestreichen von hundertfach ausgewalzten Begriffen wie "Sterblichkeit, Zerstörung, Wiederaufbau" praktiziert wird, kann alles Mögliche entstehen. Sicher aber keine interessante künstlerische Arbeit.

Dem Publikum bleiben immerhin noch die Attraktivität eines weich gezeichneten Vandekeybus-Echos, die Spritzigkeit dieser Verwässerung und der Charme junger, artistischer Körper. Nichts davon hat Keith Hennessy anzubieten, der 1959 in Kanada geborene, genderdiskursaffine Improvisateur, der seit einigen Jahren auch in Europa auf sich aufmerksam macht. Er bewegt sich seit Längerem zwischen Aktivismus und Ritual, was ihn auch dafür prädestiniert hat, in der Aktionismus-Ausstellung des Mumok einen Eingriff vorzunehmen.

In seinem Solo ActionJism zeigt er weder Scheu vor Nacktheit noch Distanz zu inwendigen Körpersäften. Überhaupt zitiert Hennessy zahlreiche Motive aus der Schau Mein Körper ist das Ereignis: die Farbpanier, den Urin, das Blutrot – hier ins Braune verschoben -, die Archaik des Vortrags.

Es bleibt allerdings nicht beim Zitat. Hennessy verbindet die immer noch irritierenden künstlerischen Mittel der Aktionskunst mit einer erst gesungenen und danach deutlich an die klinisch weiße Museumswand geschriebenen Erinnerung an Syrien. An das Land, aus dem viele jener Flüchtlinge herkommen, die der kalten europäischen Politik zurzeit den Blues bringen. Innerlich unbeteiligt zu bleiben, fällt bei dieser Aktion jedenfalls schwer. (Helmut Ploebst, 4.8.2015)