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Die Art der Musik hatte einer Studie zufolge keinen Einfluss auf den subjektiv wahrgenommenen Stress im Anschluss an das Musikhören.

Foto: EPA / MARIO RUIZ

Marburg – In vielen Laboruntersuchungen wurde die Wirkung von Musik auf die Stimmung von Probanden untersucht. "Wir wollten die Wirkung des Musikhörens in einem natürlicheren Umfeld untersuchen. Um den Zusammenhang zwischen Musik und Stressabbau alltagsnäher untersuchen zu können, haben wir unsere Probanden daher mit Fragebögen, Speichelröhrchen und dem Auftrag, sich selbst zu untersuchen, wieder nach Hause entsandt", sagt Psychologin Alexandra Linnemann von der Uni Marburg.

Die Forscher des Music & Health Lab untersuchten 55 Studierende in zwei unterschiedlich stressigen Phasen während eines Semesters. Die erste Befragung fand an fünf aufeinanderfolgenden Tagen zu Beginn des Semesters statt, eine in der Regel eher stressfreie Zeit. Die zweite Befragung war an fünf aufeinanderfolgenden Tagen am Ende des Semesters, in der Klausurenphase.

Selbstbeobachtung

Allen Probanden wurde zu Beginn der Datenerhebung ein iPod-Touch ausgehändigt, auf dem sie zuhause jeweils sechs Mal am Tag Fragebögen zu ihrem subjektiven Befinden und zum Musikhörverhalten beantworteten. Sie gaben jeweils an, ob sie seit der letzten Messung Musik gehört hätten, und wenn ja, wie traurig oder fröhlich und wie aktivierend sie diese Musik empfunden haben.

Zusätzlich wurden die Gründe des Musikhörens erfragt. Die Probanden konnten ankreuzen, ob die Musik zur "Entspannung", zur "Aktivierung", zur "Ablenkung" oder "um Langeweile zu reduzieren" angehört hatten. Mehrfachnennungen waren möglich. Außerdem sollten sie ihren subjektiv empfundenen Stresslevel zum Zeitpunkt einschätzen.

Eine Teilgruppe von 25 Probanden sammelte in beiden Erhebungsphasen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen außerdem zu jeder Messung Speichelproben von sich selbst und bewahrte diese in vorher beschrifteten Röhrchen im Kühlschrank auf. Diese Proben wurden nach Ablauf der Woche von den Forschern auf zwei biologische Indikatoren, also Hinweise für Stress, getestet – Cortisol und Alpha-Amylase.

Das "Warum" zählt

Die Daten zeigten, dass immer dann, wenn Musik zur Entspannung gehört wurde, die Probanden nicht nur von einem geringeren Stresslevel berichteten, sondern auch geringere Cortisolwerte in ihrem Speichel nachzuweisen waren. Dies war insbesondere für den späten Nachmittag und am Abend der Fall. Die Art der Musik (zum Beispiel traurige oder fröhliche, beruhigende oder aktivierende) hatte hingegen keinen Einfluss auf den subjektiv wahrgenommenen Stress im Anschluss an das Musikhören.

Hier zeigte sich jedoch ein anderer Zusammenhang: Musik, die als beruhigend beschrieben wurde, sagte eine geringere Alpha-Amylase-Konzentration im Speichel voraus, unabhängig vom Grund fürs Musikhören. Die Alpha-Amylase ist neben dem Cortisol ein weiterer Biomarker für Stress, der aber offensichtlich unter anderen Bedingungen vom Körper produziert wird.

Weniger Zeit zur Stressreduktion?

Die gefundenen Zusammenhänge beziehen sich vor allem auf die tendenziell weniger stressige Woche zu Beginn des Semesters. "Es scheint so zu sein, dass in Phasen von mehr Stress das bloße Hören von Musik keine entspannende Wirkung entfalten kann. Es wurde aber auch deutlich weniger Musik in der stressreichen Woche gehört. Daraus könnte man folgern, dass in Phasen von erhöhtem Stress weniger Zeit zur Stressreduktion bleibt", so der Psychologe und Studienleiter Urs Nater. (red, 4.8.2015)