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Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger (re.) wechseln in den ÖVP-Klub, der von Reinhold Lopatka geführt wird

Foto: apa/punz

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Bei heiklen Themen wie der Griechenland-Hilfe will Nachbaur auch künftig ihre eigene Position vertreten.

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Wien – Nun also doch: Die frühere Klubobfrau des Team Stronach, Kathrin Nachbaur und der Stronach-Abgeordnete Rouven Ertlschweiger wechseln in den ÖVP-Klub. Das wurde am Samstag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz verkündet.

Noch am Freitagnachmittag hatte ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka auf STANDARD-Anfrage entschieden dementiert, dass Nachbaur die Seiten wechseln könnte. "Das kann ich ausschließen. Ich weiß, wer bei uns ist. Ich bin doch noch bei Sinnen."

Anruf am Vormittag

Gelogen will Lopatka aber nicht haben. Nachbaur habe ihn erst am Samstagvormittag angerufen und über ihre Wechselabsicht informiert. Erst seit 11.20 Uhr habe er daher gewusst, dass die Steirerin künftig im ÖVP-Klub mitarbeiten werde. Über diesen Schritt sei er "angenehm überrascht" gewesen. Bei Ertlschweiger gestand Lopatka aber ein, mit diesem bereits seit Donnerstag handelseins gewesen zu sein.

Spekuliert wurde seit Wochen über weitere Wechsel. Im Juni waren bereits die Stronach-Abgerodneten Marcus Franz und Georg Vetter zur ÖVP übergelaufen. Fragen zu ihrer Motivation beantworteten Nachbaur und Ertlschweiger eher ausweichend. Der Schritt sei ihr "nicht leicht gefallen", sagte Nachbaur. Sie hatte noch Samstagfrüh eine "lange Aussprache" mit Parteigründer Frank Stronach.

"Jeder muss eigenen Weg gehen"

"Uns verbindet eine jahrelange Freundschaft, ich schätze ihn als Mensch, aber es hat nicht funktioniert". Jeder müsse seinen eigenen Weg gehen. "Das mache ich jetzt", ergänzte Nachbaur.

Das ÖVP-Grundsatzprogramm decke sich weitgehend mit ihren Vorstellungen und bei der Volkspartei habe sie nun eine "größere Plattform", um ihre Themen wie Arbeitsmarkt und Wirtschaft umzusetzen. "Ich will einen Beitrag leisten, damit es ein neues Wirtschaftswunder gibt." Und: "Ich bin eine Wirtschaftsliberale mit Herz." Nachbaur machte aber auch klar, dass sie bei Themen wie der Griechenland-Hilfe wohl auch in Zukunft nicht mitstimmen werde.

Heimkehr

Ertlschweiger sprach von einer "Heimkehr", er komme aus "bürgerlichem Umfeld". Über Stronach werde er zwar "nie ein schlechtes Wort verlieren", aber auch er gestand ein, sich die Entwicklung der Partei "anders vorgestellt" zu haben.

Für Lopatka ist die Einkaufstour der ÖVP damit abgeschlossen – außer die Stronach-Mandatarin Jessi Lintl überlege es sich noch. Die frühere Mitarbeiterin im ÖVP-Klub hatte ebenfalls ein Angebot der Schwarzen – lehnte laut Lopatka aber ab. Nicht willkommen seien Stronach-Vertreter, die bereits bei der FPÖ oder beim BZÖ waren. Auch den Stronach-Abgeordneten Leopold Steinbichler, der laut STANDARD-Informationen selbst bei der ÖVP angefragt hat, möchte man nicht im Klub. Steinbichler sagte am Samstagnachmittag zur APA, dass er sich um einen Wechsel bemüht hätte, sei eine "glatte Lüge".

Keine Söldnertruppe

Lopatka will seine Partei nicht als Söldnertruppe bezeichnet wissen. Gegen diesen Begriff verwahre er sich. "Es gibt keinen Sold, nur ein Gehalt als Abgeordnete." Es habe auch schon neue Klubs während einer Legislaturperiode gegeben sowie wilde Mandatare: "Das halte ich für schlechter." Einen fliegenden Regierungswechsel zu Schwarz-Blau werde es definitiv nicht geben: "Das ist völlig ausgeschlossen und würde keinen Sinn ergeben."

Mit den Neuerwerbungen, deren Aufgabenbereiche im Klub erst geklärt werden müssen, werde die ÖVP jedenfalls "jünger, weiblicher und moderner". Auch für die "Auseinandersetzung mit den Neos" sei es wichtig, "glaubhafte wirtschaftsliberale Personen" zu haben".

Parteiungebundene nichts Besonderes

Für Lopatka ist es nichts Ungewöhnliches, wenn "parteiungebundene Persönlichkeiten" im Klub mitarbeiten, schließlich sei auch der ehemalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle kein Parteimitglied. Nachbaur sei "heimatverbunden, weltoffen und international erfahren", Ertlschweiger habe viel Know-How bei Medien und Sportfragen, lobt Lopatka seine Neuzugänge.

Für die Regierung bedeute der Übertritt der beiden eine größere Mehrheit (nun hat Rot-Schwarz 103 Mandatare im Nationalrat). Inklusive der Bundesrats- und EU-Abgeordneten werde die ÖVP zum stärksten Klub im Parlament (80 bei der ÖVP, 78 bei der SPÖ). Im Nationalrat hat man nun nur mehr ein Mandat weniger als die SPÖ (52 zu 51) – siehe Grafik.

Klagen drohen

Möglicherweise hat die Wechselpolitik auch noch rechtliche Folgen. Wie das Profil berichtet, prüft das Team Stronach mögliche Schadenersatzforderungen gegen die Neo-ÖVP Mandatare Georg Vetter und Marcus Franz. Durch ihren Übertritt entgehen dem Stronach-Klub Förderungen in der Höhe von 200.000 Euro. Nun verliert man weitere 332.000 Euro.

Zu den neuen Abgängen sagte Stronach-Klubchefin Waltraud Dietrich, diese seien "erkennbar" gewesen. Das Team Stronach werde trotzdem "gemäß den Werten" von Parteigründer Stronach weiterarbeiten.

Kritik kam von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder: "Die Mandate werden am Wahltag vom Wähler vergeben. Nicht danach mit billigen Taschenspielertricks erkauft." (Günther Oswald, 1.8.2015)