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Der Plastikmüll in den Weltmeeren ist ein globales Problem und betrifft nicht nur die Badestrände des Mittelmeeres.

Foto: APA/EPA/ANGELIKA WARMUTH

Palma de Mallorca – In nur wenigen Tagen habe sich der Strand von einem Paradies in eine Mülldeponie verwandelt, sagt Alberto Espejo, der den erschreckenden Anblick an der Bucht Cala Vella nahe der Siedlung Maioris an der Südküste Mallorcas gleich mit der Videokamera festhält. "Das wird jedes Jahr schlimmer", klagt der Mallorquiner. Er fordert ein sofortiges Eingreifen der Behörden.

Wenige Tage danach kommt ein gutes Dutzend Freiwilliger zusammen und sammelt säckeweise Müll auf. Doch das gleicht einer Sisyphusarbeit. Da hat die Plastikschwemme bereits einige Kilometer weiter den nächsten Strand im Örtchen S'Estanyol erreicht. Und auch an zig anderen Buchten der Insel, vor allem im Süden und Südwesten, klagen Anrainer und Urlauber über erschreckend viel Unrat im Meer.

Bereits zuvor hatte Mallorcas Umweltverband GOB Alarm geschlagen und Fotos aus dem Cabrera-Nationalpark, dem zwölf Kilometer vor Mallorca gelegenen Archipel, verbreitet: Sie zeigen unter anderem eine eklige, ans Ufer schwappende Dreckbrühe. Dazu eine Schildkröte, die sich in einem Plastikband verheddert hat. Und zahlreiche, aus einer algerischen Fabrik stammenden Milchpäckchen. Auch vor der Küste von Ibiza ist viel Müll aufgetaucht.

Südwind treibt Müll aus Afrika heran

GOB-Sprecher Toni Munoz wundert sich kein bisschen über die Plastikschwemme. Dass die Länder im Norden Afrikas, allen voran Algerien, ein enormes Entsorgungsproblem hätten, sei seit langem bekannt. Weite Teile der Küste sind mit Abfällen übersät, die früher oder später von der Brandung davongetragen werden, bestätigen auch algerische Umweltaktivisten. Die Elite des Landes verbrächte den Sommer nicht umsonst in Tunesien, wo die Strände sauberer seien.

Dass derzeit besonders viel Müll die mehr als 250 Kilometer zwischen der algerischen Küste und den Balearen zurücklegt, liegt Munoz zufolge am anhaltenden Südwind. Neu sei dieses Phänomen aber nicht, sagt Josep Maria Aguilo vom balearischen Amt für Wasser und Umwelt (Abaqua), der den Einsatz der sogenannten Müllboote rund um die Balearen-Inseln koordiniert.

Schlecht fürs Image

"Diese Milchpackerln haben wir schon 2004 gefunden, als das Umwelt-Ministerium den Service der Küstenreinigung eingeführt hat", sagt Aguilo. Dass in den Schlagzeilen nun von einer nie dagewesenen Verschmutzung die Rede ist, macht ihn wütend. Das sei vollkommen übertrieben – und schlecht für Mallorcas Image als Urlaubsinsel. Allerdings sei es durchaus erklärbar, dass dieses Jahr besonders viel Müll an die Strände gelange: Man habe seit Wochen thermischen Wind, der vom Meer landwärts wehe. Drei, vier Tage Nordwind – und das Treibgut sei wieder weit draußen im Meer, wo es eben niemand sehe.

In Aguilos Augen ist die aktuelle Situation deshalb sogar positiv. "Unsere Boote sammeln viel mehr Unrat auf als im Vorjahr". Zumal die insgesamt 33 Müllschiffe – 15 vor Mallorca, je acht vor Menorca und Ibiza und zwei vor Formentera – aufgrund der optimalen Wetterbedingungen derzeit jeden Tag rausfahren könnten. Außerdem seien sie in diesem Jahr sogar einen Monat länger als üblich unterwegs, nämlich von Anfang Mai bis Ende September, was sich die Balearenregierung immerhin 1,1 Millionen Euro kosten lasse.

Müll auf dem Teller

Dennoch ist das Ausmaß der Müll-Schwemme damit kaum in den Griff zu bekommen, wie die Wissenschafterin Marina Sanz-Martin befürchtet. Sie ist Biologin am auf Mallorca ansässigen Meeresforschungsinstitut Imedea und hat an der ersten groß angelegten Studie mitgearbeitet, die die Plastikverschmutzung des Mittelmeers unter die Lupe nahm.

Vor zwei Jahren wurden hierfür an 28 Stellen mit kleinmaschigen Netzen Wasserproben entnommen. Die Ergebnisse für die Balearen sind besorgniserregend: Südlich von Formentera ist der Grad der Verschmutzung mit bis zu 2.500 Gramm Plastik pro Quadratkilometer besonders hoch. Allerdings dürfe man sich darunter keinen "Plastikteppich aus algerischen Milchpackerln und Cola-Dosen vorstellen", sagt die Wissenschafterin.

Auf der Suche nach Erklärungen für die derzeitige Plastikschwemme hatte der vermeintliche Müllteppich in Medien Mallorcas immer wieder als Sündenbock herhalten müssen. "Das ist vollkommen absurd", sagt Sanz-Martin. Bei dem entdeckten Plastik handle es sich um winzige Partikel, zu 83 Prozent kleiner als fünf Millimeter. Gerade sie aber sind es, die dem Ökosystem den größten Schaden zufügen. Zum einen verenden Meerestiere daran, zum anderen landet das Plastik über die Nahrungskette längst auch auf unseren Tellern.

Die Vorstellung von an der Meeresoberfläche treibenden Müllbergen ist Sanz-Martin zufolge also nicht richtig, auch nicht für die fünf nachgewiesenen riesigen Plastikstrudel im Pazifik, im Atlantik und im Indischen Ozean: Diese bestünden ebenfalls aus Mikroplastik. (APA, dpa, red, 31.7.2015)