In Ephesus sind nicht nur die Frauen die besseren Hälften: Auf der Perner-Insel spielen ab Samstag, 19.30 Uhr, Meike Droste, Thomas Wodianka und Florian Teichtmeister (v. links).

Salzburger Festspiele/Ruth Walz

Doppelgänger: Das Thema der zur Parallelexistenz verurteilten Zwillinge entlieh William Shakespeare (1564-1616) beim Römer Plautus und dessen Menaechmi. Den Spaß verdoppelte er, wohl um die Bühnenwirkung zu erhöhen, ein weiteres Mal. Den Zwillingen Antipholus und Antipholus gesellte er spiegelgleich ein Domestikenpaar hinzu, dessen Hälften sich jeweils Dromio nennen. Es fällt schwer, nicht an Jupiter und Merkur, an Amphitryon und Sosias zu denken. Verwendung fand das entsprechende Motiv bei den Dramatikern Molière und Kleist.

Element: Es bleibt Ägeon, dem Antipholus-Vater, vorbehalten, zu Anfang des Stückes von der gewaltsamen Trennung der Buben zu berichten. Ein Meeressturm hat die Sippe vor 25 Jahren entzweigerissen. Es gehört zu den merkwürdigeren Umständen dieses charmanten Frühwerks, dass die voneinander isolierten Teile der Familie gleichlautende Namen tragen. Jedenfalls sind die Menschen bloße Spielbälle der Elemente, diesfalls: des Wassers.

Ephesus: Seine Auskunft erteilt Ägeon, ein würdiger Greis aus Syrakus, dem Herzog von Ephesus in dessen Palast. Dieser ist Gäs- ten aus Syrakus grundsätzlich schlecht gesonnen und bedroht sie, maritimer Händel wegen, mit dem Tod. Ägeon soll der Hinrichtung entschlüpfen, wenn er es schafft, in Ephesus Freunde zu finden, die für ihn ein Lösegeld zahlen. Überhaupt wird das schöne Ephesus, der Schauplatz der Komödie, von allerlei seltsamen Gestalten bevölkert. Antipholus (von Ephesus) ist als Kaufmann ein wohlgelittener, glücklich verheirateter Mann. Doch rund um ihn treiben sich merkwürdige Schmiede, habgierige Kaufleute, Kurtisanen, Äbtissinnen und Teufelsaustreiber herum. Der junge Shakespeare hat, so scheint es, orientalisches Kolorit gesammelt, um die Gier des Theaterpublikums nach Exotika zu befriedigen.

Fabel: Der eine Antipholus – derjenige aus Syrakus – landet nichtsahnend in der Lebenssphäre seines Pendants, Antipholus von Ephesus. Die Einwohner der gastgebenden Stadt behandeln ihn zu seiner Verblüffung mit der größten Selbstverständlichkeit. Seines Aussehens wegen darf er sogar mit der Ehegemahlin seines Zwillingsbruders zu Mittag speisen, zudem empfängt er größere Mengen Geldes. Sein Alter Ego gerät dadurch in erhebliche Schwierigkeiten, da er vorübergehend zahlungsunfähig wird und im Schuldturm landet. Antipholus von Syrakus ist jedenfalls grüblerisch veranlagt. Über die für ihn undurchschaubaren Verhältnisse in Ephesus weiß er anzumerken: "Wir wandern unter Trug und Blendwerk hier; / Ein guter Geist entführ' uns bald von hinnen!"

Festspiele: Henry Mason inszeniert die relativ selten gespielte Komödie der Irrungen im Auftrag der Salzburger Festspiele, die Premiere findet morgen, Samstag, auf der Halleiner Perner-Insel statt. Eine frühe History of Errors aus der Feder eines Shakespeare-Zeitgenossen wird 1585 gemeldet. Eine Quarto-Ausgabe des Stückes existiert nicht. In der Folioausgabe der Shakespeare-Werke von 1623 ist es dagegen enthalten. Quellen berichten von einer frühen Aufführung der Irrungen 1594 in einer Londoner Juristenschule.

Rhetorik: Der hohe Reiz der Verwechslungskomödie besteht im rhetorischen Schliff der handelnden Personen. Jeder der beiden Antipholusse liebt es, seinen Diener für dessen Frechheiten zu verprügeln. Dromio 1 und 2 bleiben als zynische Wortartisten ihren Fronherren die Antwort nicht schuldig. Wie Dromio von Syrakus von der angeblichen Glatze Gottvaters zum Erweis menschlichen Witzes durch einen Mangel an Haaren kommt, ist große Formulierungskunst. (Die Vorteile des Glatzkopfes sind erwiesenermaßen zwei. Er spart sich Geld fürs Haarekräuseln, und er muss nicht befürchten, seine Strähnen würden ihm in die Suppe fallen.)

Satan: Ehe sich die Komödie erwartungsgemäß in Wohlgefallen auflöst und die Familie des alten Ägeon glücklich wiedervereint wird, passieren merkwürdige Dinge. Ein ominöser Doktor Zwick macht sich anheischig, Antipholus von Ephesus, den vermeintlich um sein Weib geprellten Platzhirsch, vom Einfluss durch Satan zu befreien. Sein aufklärerisches Tun bekommt dem Mann der Wissenschaften schlecht: Man bindet ihn fest und versengt ihm den Bart. Shakespeares Theaterpublikum muss sich bei diesen Grobheiten vor Lachen gebogen haben.

Schauspieler: In Salzburg geben Thomas Wodianka (Antipholus) und Florian Teichtmeister (Dromio) die beiden Doppelrollen. Meike Droste spielt die Adriana, Elisa Plüss die Luciana. (Ronald Pohl, 31.7.2015)