Trotz des schlechten Zustands der Knochen konnten Forscher herausfinden, wer die vier Herren waren. Die Gräber befanden sich übrigens im Altarbereich jener Kirche, in der Matoaka, Tochter eines Häuptlings der Wahunsonacock und später bekannt geworden unter ihrem Kosenamen Pocahontas, 1614 mit dem Plantagenbesitzer John Rolfe verheiratet wurde.

Foto: Donald E. Hurlbert / Smithsonian Institution

Von speziellem Interesse für die Archäologen war diese Silberschatulle, die im Sarg von Kapitän Gabriel Archer entdeckt wurde. Der versiegelte Behälter stellte sich bei Scans als Reliquiar heraus, der einige Knochenstücke enthält. Der Fund entlarvt Archer als heimlichen Katholiken und deutet auf mögliche religiöse Konflikte innerhalb der Siedlergemeinschaft von Jamestown hin.

Foto: Donald E. Hurlbert / Smithsonian Institution

Washington / Wien – Als in den letzten Apriltagen 1607 143 Engländer im heutigen Bundesstaat Virginia an Land gingen, legten sie mit der Errichtung des "James Forts" zwei Grundsteine zugleich: Jamestown sollte sich einerseits als Keimzelle der späteren USA erweisen, auch wenn die Gründung von Plymouth 1620 durch die Pilgerväter heute stärker betont wird. Zum anderen war die bescheidene Ansammlung von Hütten die erste dauerhafte Siedlung Englands in Übersee und markierte somit die Geburtsstunde des britischen Kolonialreiches.

Kein Wasser, kaum Nahrung

Frühere englische Versuche, an der Ostküste Nordamerikas Fuß zu fassen, waren zunächst allesamt zum Scheitern verurteilt. Dass Jamestown ein ähnliches Schicksal erspart geblieben ist, dürfte wohl auch Glück gewesen sein, denn es zeigte sich schnell, dass die ersten Kolonisten ungenügend ausgerüstet waren und den Ort ihrer Ansiedlung schlecht gewählt hatten. Auf der Flussinsel, für die sich die Siedler aus strategischen Gründen entschieden, existierte kein Trinkwasser und in den umgebenden Sümpfen ließ sich zunächst kaum Landwirtschaft betreiben.

Trotz weiterer Zuzügler aus England brachten Hungersnöte, Krankheiten und gewaltsame Konflikte mit den Ureinwohnern Jamestown in den ersten Jahren mehrmals an den Rand der Auslöschung. Den als "starving time" bekannten Winter von 1609/1610 etwa überlebten nur 60 von 214 Männern. Dass es in diesen dunklen Zeiten auch zu Kannibalismus unter den Siedlern gekommen war, belegen jüngste Funde.

2013 entdeckten Wissenschafter in den Überresten der ersten Kirche von Jamestown vier Gräber aus dieser unsicheren ersten Phase der Kolonie. Die wenigen erhaltenen Knochen befanden sich in schlechtem Zustand – und doch gelang es nun einem Team aus Archäologen und Anthropologen vom Smithsonian Institute in Washington nach zweijähriger Arbeit, die Toten zu identifizieren. Dass es sich um hochgestellte Persönlichkeiten gehandelt haben dürfte, darauf weist schon der Ort ihrer Beisetzung hin: Die Männer waren rund um den Altar begraben worden, eine Stelle, die nur den wichtigsten Personen der jungen Siedlung vorbehalten war.

Ein Pfarrer, ein Adeliger und zwei Kapitäne

Das Studium der wenigen aus der Anfangszeit der Kolonie erhaltenen Dokumente, chemische Untersuchungen der Knochen und Analysen weiterer Fundgegenstände lieferten schließlich den Beweis: Die Toten waren der anglikanische Geistliche Robert Hunt, der junge Adelige Sir Ferdinando Wainman – im Übrigen der erste englische Ritter, der in Nordamerika begraben wurde – sowie die beiden Kapitäne Gabriel Archer und William West. Keiner der vier Männer hatte sein 40. Lebensjahr erreicht: drei starben an Krankheiten und Kapitän West kam bei einem Angriff von Ureinwohnern ums Leben.

Video: Eine digitale Rekonstruktion der vier Gräber in der ersten Kirche von Jamestown.
Smithsonian's Digitization Program Office

Auch die Untersuchung der Artefakte brachte Überraschendes zutage: Ein kleines mysteriöses Silberreliquiar mit Knochenresten aus Gabriel Archers Grab weist darauf hin, dass der Kapitän möglicherweise ein heimlicher Katholik war. Dieser Fund ist vor allem deshalb brisant, weil Jamestown als Gegengewicht zu katholischen Kolonien der Spanier die Verbreitung des anglikanischen Glaubens unter der indigenen Bevölkerung vorantreiben sollte.

Mit Tabak zum Erfolg

In der Regel blieb es jedoch beim Versuch. Erfolgreich war Jamestown allerdings an anderer Front: Die in Europa wachsende Beliebtheit von Tabak bescherte der Kolonie nach langem Überlebenskampf schließlich eine wirtschaftliche Grundlage. Die Einnahmen aus dem Export des anfangs von der englischen Regierung als moralisches Übel verteufelten Genussmittels aus Virginia stiegen zwischen 1609 und 1627 um das 25-fache und sorgten so dafür, dass die Siedlung letzten Endes doch florierte. (Thomas Bergmayr, 29.7.2015)