Peking – Nach dem größten Kursrutsch seit acht Jahren setzt sich die Talfahrt an Chinas Börsen fort. Der Composite Index in Shanghai eröffnete am Dienstag mit einem Minus von vier Prozent. Der Component Index in Shenzhen verlor zu Handelsbeginn ebenfalls rund vier Prozent. Nach Ansicht von Analysten wird der Handel am Dienstag weiter nervös verlaufen.

Aus Angst, die Hilfen der Regierung zur Stabilisierung der Märkte könnten bereits wieder verpufft sein, hatte sich am Vortrag eine Panik unter Anlegern breitgemacht. Die Börse in Shanghai fuhr mit einem Minus von 8,5 Prozent den größten Tagesverlust seit Februar 2007 ein.

Experten glauben zwar, dass eine ausgewachsene Finanzkrise in China weiterhin unwahrscheinlich ist. Ein anhaltendes Börsenbeben könnte sich aber auf das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde auswirken. "Wenn es der Regierung nicht gelingt, das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen, wird China sein Wachstumsziel von sieben Prozent bis Ende des Jahres kaum erreichen", heißt es in einer Analyse der australischen ANZ Bank.

Leitindex um über 150 Prozent gestiegen

Zuletzt hatten Chinas Aktienmärkte eine extreme Berg- und Talfahrt hingelegt: Getrieben von Privatanlegern, die in großen Stil Aktien auf Kredit kauften, war der Leitindex in Shanghai binnen eines Jahres um über 150 Prozent gestiegen. Mitte Juni begann dann ein rasanter Kurseinbruch. Innerhalb von nur 18 Handelstagen verlor der Index 32 Prozent an Wert. Mit radikalen Eingriffen gelang es der Regierung, zunächst die Kurse zu stabilisieren.

Die Zentralbank senkte die Zinsen auf ein Rekordtief, zudem setzten Behörden neue Börsengänge aus. Die chinesische Börsenaufsicht CSRC initiierte mit Geld der Zentralbank ein riesiges Kaufprogramm für Aktien. An der Börsen notierte Unternehmen erhielten zudem die Genehmigung, sich selbst vom Handel auszusetzen. Bis zu 50 Prozent der an den Börsen des Landes gehandelten Aktien waren zwischenzeitlich eingefroren. Die Regierung dementierte am Montag Berichte, wonach sie die Rettungsversuche bereits aufgegeben hätte. Die Behörden werden "die Bemühungen zur Stabilisierung der Märkte fortsetzen", sagte Zhang Xiaojun, Sprecher der chinesischen Börsenaufsicht CSRC.

Zentralbank will Maßnahmen setzen

Zudem demonstrierte die Zentralbank am Dienstag ihre Entschlossenheit: Sie werde verschiedene geldpolitische Instrumente nutzen, um im zweiten Halbjahr für ausreichend Liquidität zu sorgen, erklärte sie. Die Notenbank fügte hinzu, die wichtigen ökonomischen Indikatoren des Landes zeigten eine stetige Verbesserung.

Die für Wirtschaftssteuerung zuständige Behörde NDRC nannte die Wachstumsdynamik am Dienstag jedoch "unzureichend". Der Kapitalfluss in die Realwirtschaft sei nicht reibungslos, sagte der Generalsekretär der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), Li Pumin, auf einer Pressekonferenz in Peking. NDRC-Vertreter Gao Gao ergänzte, er sei nicht optimistisch, was die Aussichten für die Nachfrage aus dem Ausland angeht.

Börsenaufseher untersuchen Ausverkauf

Auch Chinas Finanzaufseher nehmen den Kurssturz unter die Lupe. Die Wertpapieraufsicht CSRC habe bereits ein Team eingesetzt, das Hinweisen auf einen "konzentrierten Ausstieg aus Aktien" nachgehe, teilte ein Behördensprecher am Dienstag mit.

Nach dem erneuten Einbruch kündigte die Börsenaufsicht weitere Stützungskäufe an. Zugleich will die CSRC härter gegen Investoren vorgehen, die auf fallende Kurse wetten. Viele chinesische Anleger glauben, dass die Schuld für die Talfahrt bei ausländischen Investoren liegt. (APA, 28.7.2015)