Wien – Vor der Wirtschaftskammer steht eine Handvoll Demonstranten. Sie teilen Flugzettel aus, reden auf die Männer in Anzügen ein, die nach und nach ankommen. "Mit den Menschen im Iran soll man in den Dialog treten", sagt einer von ihnen. "Wer aber Geschäfte macht, finanziert das Regime mit." Die Anzugträger – heimische Firmenchefs, Unternehmer aus Europa und dem Iran, Ingenieure und Diplomaten – lassen sich davon nicht beeindrucken. Keine Geschäfte? Sie sind genau deshalb nach Wien gekommen.

Erst vor gut einer Woche wurde das Wiener Abkommen geschlossen und damit der Startschuss für das Ende der Iran-Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft eingeläutet. Am Donnerstag und am Freitag dieser Woche treffen bereits hunderte Geschäftsleute zu einer "Iran-EU-Konferenz" in der Wirtschaftskammer zusammen. Sie wittern millionenschwere Aufträge, die Stimmung ist nahezu euphorisch.

"Schauen Sie mal in die Runde hier", sagt ein hochrangiger Manager eines internationalen Konzerns. "Alle sind begeistert. Hätte man diese Konferenz vor zwei, drei Wochen, vor der Einigung, gemacht, es wäre wohl niemand gekommen." Der Veranstaltungssaal platzt aus allen Nähten, selbst die Gänge sind voll. Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer, sieht das mit den Geschäften und dem Regime anders als die Demonstranten. Es brauche "Kooperation statt Konfrontation", sagt Leitl, der sich zuletzt auch immer wieder gegen die Russland-Sanktionen der EU ausgesprochen hat, in seiner Eröffnungsrede.

Gas- und Ölreserven

"Na sicher lässt sich da jetzt gutes Geld machen", sagt ein Linzer Unternehmer, der sich auf die Reparatur von Kraftwerken spezialisiert hat. Der Iran hat laut dem US-Statistikbüro EIA die zweitgrößten Gas- und die viertgrößten Ölreserven der Welt. Der Sektor ist durch die Sanktionen bislang vom Ausland abgeschirmt. Auch die OMV scharrt schon in den Startlöchern. "Wir erwarten uns gute Geschäfte", sagt ein Manager im Gespräch mit dem STANDARD. "Bis auf ein kleines Büro in Teheran, um Kontakte aufrechtzuerhalten, haben wir alles auf Eis gelegt."

Für die Veranstaltung in der Wirtschaftskammer ist auch der iranische Industrieminister, Mohammad Reza Nematzadeh, angereist. Er präsentiert sein Land quasi auf dem Silbertablett. "Wir wollen privatisieren, dafür brauchen wir Investoren", sagt er. "Wir bauen unsere Autoindustrie auf, ich weiß, Ihr seid hier in Österreich gut mit Motoren."

Der Handel mit dem Iran könne sich mittelfristig verfünffachen, sagt die Wirtschaftskammer. Die österreichischen Exporte in das Land haben sich seit der Einführung der Sanktionen vor knapp zehn Jahren halbiert, die Importe sind nahezu ganz eingebrochen. Das Potenzial nach oben ist also groß. Die Sanktionen haben bislang vor allem darauf abgezielt, die für den Iran so wichtige Öl- und Gasindustrie zu schwächen. So durfte keine Ausrüstung geliefert werden, der Import der Rohstoffe war ebenso verboten. Der Iran ist bis heute außerdem vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen.

Sorgfältige Prüfung

"Das ist alles sehr mühsam", sagt ein österreichischer Spediteur. "Man muss sorgfältig prüfen, bevor man liefert. Ist das Unternehmen, ist das Produkt auf der Liste?" Seine Firma habe auch in den vergangenen Jahren im Iran Geschäfte gemacht, jetzt erwartet er, dass sich das stark erleichtert.

Aber nicht nur Geschäftsleute schütteln dieser Tage fleißig Hände. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist zu Beginn der Woche bereits mit einer Delegation in den Iran gereist. Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer tut es ihm Anfang September gleich. Er wird dann nach mehr als zehn Jahren das erste Staatsoberhaupt der EU sein, das Teheran besucht. (Andreas Sator, 24.7.2015)