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"Die Realität ist, dass die Kinder fahren" weiß man beim Verkehrsclub. Wer unter 12 und allein unterwegs ist, darf das aber nicht.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Wien – In den Materialien, die das Umweltministerium für Schulklassen zur Verfügung stellt, ist die Welt noch heil. Oder soll vielmehr heil werden – im Sinn von klimafreundlich. "Wie würdest du deinen Schulweg am liebsten zurücklegen?", fragen da die "Carbon Detectives" des Forums Umweltbildung Kinder der dritten bis fünften Schulstufe und bieten unter anderem zur Auswahl an: mit dem Fahrrad, dem Scooter oder zu Fuß.

Der Haken: Wer sich für den Scooter entscheidet, darf gar nicht damit zur Schule rollern. Zumindest nicht allein. Wer auf einem der kleinen Tretroller unterwegs ist, für den gibt es Bewegungsfreiheit nur zwischen den Paragrafen 65 und 88 der Straßenverkehrsordnung (StVO), die sinngemäß besagen: "Fahrzeugähnliches Kinderspielzeug" – als solches gilt der Mini-Scooter hierzulande – darf nur dann am Gehsteig benutzt werden, wenn eine Person, die älter als 16 ist, begleitet. Oder, wenn der Rollerfahrer gemäß §65 einen Radfahrausweis besitzt. Mit dem darf, wer das 10. Lebensjahr vollendet hat, auch ohne Begleitung unterwegs sein.

Was deutsche und Schweizer Kinder dürfen

Im Verkehrsministerium will man an dieser Regelung vorerst nichts ändern. Als Begründung wird auf die Verkehrssicherheit verwiesen. So seien etwa "zentrale Fähigkeiten für die Teilnahme am Straßenverkehr wie Geschwindigkeits- und Entfernungseinschätzungen oder vorausschauendes Gefahrenbewusstsein" erst ab dem Alter von zehn Jahren ausgeprägt, heißt es.

In Deutschland und der Schweiz sieht man das offenbar anders. Mini-Scooter zählen in Deutschland nicht als Fahrzeuge, sondern sind dem Gehen gleichgestellt. Und das darf jeder, ohne Altersbeschränkung. Auch in der Schweiz ist die Benutzung des "Mini-Trottinetts" auf dem Gehsteig in jedem Alter möglich.

Sind deutsche und Schweizer Kinder also rücksichtsvoller als österreichische? Michael Pock, der Verkehrssprecher der Neos, glaubt das nicht: "Nicht das Verhalten, sondern die rechtliche Situation unterscheidet sich. In Österreich tun Eltern, die ihre Kinder allein rollern lassen, etwas Illegales." Um das zu ändern, wollte er, wie auch Grünen-Verkehrssprecherin Daniela Musiol bereits vor einem Jahr, die StVO mittels Entschließungsantrag reformieren. Pock: "Das wurde von den Regierungsparteien mit der Begründung abgelehnt, dass das bestehende Gesetz ohnehin nicht exekutiert wird."

Realität ist: Kinder fahren

Höchste Zeit, "dass der Gesetzgeber endlich die Regeln modifizieren und die Realität anerkennen sollte", findet man beim Verkehrsclub Österreich. "Und die Realität ist, dass die Kinder fahren", weiß VCÖ-Sprecher Christian Gratzer, der auch über einige der wenigen Zahlen zum Bewegungsmittel Mini-Scooter verfügt. Demnach fährt jedes vierte Kind der 300 vom Marktforschungsinstitut Integral befragten Eltern häufiger mit dem Tretroller als mit dem Fahrrad. Wie viele mit dem Roller allein zur Schule sausen, wurde nicht erhoben. Es wäre jedenfalls umweltfreundlich, wenn es immer mehr wären, findet man im Umweltministerium. Zur Rechtslage, die diesem Wunsch entgegensteht, will man sich hier nicht äußern, verweist auf den Verkehrsminister.

Detail am Rande: Grünen-Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou hat bereits 774 Scooter-Abstellplätze mit 30 Euro pro Platz gefördert. Nur allein hinfahren dürfen die Kids halt nicht. (Karin Riss, 24.7.2015)