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Zuletzt hatten die US-Börsen bei der Entwicklung der Unternehmensgewinne eindeutig die Nase vorn. Nun dürften auch in Europa die Erträge wieder stärker zulegen.

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Wien – Konstant steigende Unternehmensgewinne sind der nachhaltige Treibstoff für die Aktienbörsen. Diesbezüglich war in Europa in den vergangenen Jahren keine allzu erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen. Während die US-Unternehmen die Finanzkrise rund um die Lehman-Pleite rasch verdaut haben, wurde die wirtschaftliche Erholung auf dem Alten Kontinent durch diverse Staatsschuldenkrisen und zwangsverordnete Spardiktate dauerhaft ausgebremst.

In USA "business as usual"

Dies lässt sich auch anhand einer Analyse der langfristigen Gewinnentwicklungen in Europa und den USA ablesen, wie sie regelmäßig von Harald Egger, Bereichsleiter Aktien bei der Erste Sparinvest, durchgeführt wird. Demnach befindet sich der langfristige, 40-jährige US-Ertragstrend mit seinem zehnjährigem Pendant und den aktuell ausgewiesenen Gewinnen im Paarlauf. Kurzfristig können laut Egger zwar der hohe Dollar und der schwache Energiesektor die Ertragslage etwas bremsen, langfristig bietet aber der US-Aktienmarkt seiner Ansicht nach ein sehr stabiles Ertragswachstum: "Die USA entwickeln sich eigentlich wunderbar, es ist keine Ausnahmesituation festzustellen."

Ganz im Gegensatz zu Europa (ohne Großbritannien), wo die aktuelle Ertragslage dem Vorkrisenniveau von Mitte des vorigen Jahrzehnts deutlich hinterherhinkt, weshalb auch der zehnjährige Gewinntrend nach unten zeigt. Die Ertragslage konnte sich zwar heuer leicht nach oben absetzen, gegenüber dem 40-jährigen Trend besteht aber weiterhin ein gewaltiges Aufholpotenzial.

"Ich sehe zwar einen Gewinnanstieg, aber keine rasche Aufholjagd", dämpft Egger die Erwartungen. Demnach werden zwar der tiefe Euro und das billige Öl die Ertragslage verbessern, die schwächere Nachfrage aus China werde aber die Entwicklung wiederum dämpfen. Es gelte zudem, die Auswirkungen des Anleihenkaufprogramms der EZB abzuwarten. Jene der US-Notenbank Fed und der Bank of Japan haben die Unternehmensgewinne laut Egger ordentlich angefacht.

Der starke Anstieg europäischer Aktien von Jahresbeginn bis April ist seiner Ansicht auf die EZB zurückzuführen: "Das basierte auf dem Prinzip Hoffnung. Die Investoren gingen davon aus, dass das Anleihenkaufprogramm wirken wird." Durch den steilen Anstieg der europäischen Indizes in den ersten Monaten sei schon viel dieses Ertragspotenzials in den Kursen vorweggenommen worden.

Besser, aber nicht brüllend

Grundsätzlich positiv stuft auch RBI-Analyst Johannes Mattner die Gewinnentwicklung in Europa ein: "Die konjunkturelle Großwetterlage hellt sich Schritt für Schritt auf, aber die Dynamik ist nicht brüllend." Neben Euro und Öl sieht er die günstige Refinanzierung und den geringen Lohndruck als positiv für die Gewinne. Zudem hebt Mattner hervor, dass sich die Analystenprognosen heuer als zu vorsichtig erwiesen hätten: "Die Gewinnrevisionen waren jahrelang negativ, jetzt sind sie erstmals wieder mehrheitlich positiv." Aktuell liegen die Schätzungen für 2015 bei einem siebenprozentigen Ertragsplus beim Eurostoxx 50.

Optimistischer äußert sich Alfred Reisenberger von der Valartis Bank: "Wir werden heuer ein schönes Gewinnwachstum haben, aber wichtiger ist der Trend, den wir sehen werden." Sogar eine rasche Rückkehr zur langfristigen Gewinnentwicklung hält Reisenberger für möglich: "Die Dynamik in Europa ist eine sehr starke. Ich glaube schon, dass wir in zwei, drei Jahren wieder dorthin zurückkommen können." (Alexander Hahn, 24.7.2015)