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Piran gehört zu den attraktivsten Städten der Adriaküste.

Foto: REUTERS/Srdjan Zivulovic

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Grafik aus dem Jahr 2010.

Grafik: APA

Ljubljana/Zagreb – Die Spannungen zwischen Slowenien und Kroatien um den für gelöst gehaltenen Grenzstreit sind wieder voll aufgeflammt. In weniger als einem halben Jahr soll die Entscheidung des Ad-hoc-Schiedsgerichts über den Verlauf der See- und Landgrenze zwischen den beiden Ländern vorliegen, doch eine Abhöraffäre gefährdet nun das 2009 vereinbarte Schiedsverfahren und damit die Lösung im jahrelangen Streit.

Nachdem bekannt wurde, dass vertrauliche Informationen des Schiedsgerichts an die slowenische Seite durchgesickert sein sollen, versucht Zagreb aus dem Schiedsverfahren auszusteigen. Ljubljana beschäftigt sich hingegen vor allem mit der Tatsache, dass seine hohen Beamten von der anderen Seite abgehört wurden.

Abgehörte Telefongespräche

Ein Bericht der kroatischen Tageszeitung "Večernji list" schlug am gestrigen Mittwoch wie eine Bombe auf beiden Seiten der Grenze ein. Die Zeitung veröffentlichte abgehörte Telefongespräche – zuerst die Transkription, danach auf ihrer Internetseite auch die mitgeschnittenen Tonaufnahmen – zwischen dem von Slowenien bestellten Schiedsrichter Jernej Sekolec und der hohen Außenamtsbeamtin Simona Drenik, die im Schiedsverfahren als Vertreterin Sloweniens fungiert.

Demnach soll der Schiedsrichter, der eigentlich neutral sein sollte, die Beamtin über vertrauliche Einzelheiten aus dem Schiedsverfahren informiert haben und von ihr auch zusätzliche Anweisungen bekommen haben. Damit sollen die beiden die Regeln des Schiedsgerichtes grob verletzt haben.

Glaubwürdigkeit des Schiedsgerichts infrage gestellt

Die kroatische Politik reagierte empört. Außenministerin Vesna Pusić stellte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch die Glaubwürdigkeit des Schiedsgerichts infrage. "Wenn irgendetwas davon stimmt, wäre es schockierend und würde die Situation drastisch verändern", sagte sie laut Medienberichten.

Auch weitere Reaktionen aus Zagreb in der von Medien als "Pirangate" bezeichneten Affäre lauteten einhellig: Das Schiedsverfahren sei durch slowenische Einflussversuche kompromittiert worden, weshalb auch der bevorstehende Schiedsspruch fragwürdig sei. Bereits am Mittwoch wurden in Kroatien die Rufe laut, aus dem Schiedsverfahren auszusteigen. Dass dies als eine der Möglichkeiten erörtert werde, wurde von der Außenministerin am Donnerstag bestätigt.

"Unerhört"

In Slowenien herrscht ebenfalls Empörung. Allerdings steht dort das Abhören der Gespräche im Mittelpunkt. Regierungschef Miro Cerar zeigte mit dem Finger auf Kroatien. "Es ist offensichtlich, dass jemand, der mit der kroatischen Seite verbunden ist, Spionagemethoden einsetzt, um das Schiedsverfahren zu beeinflussen. Das ist unerhört", sagte er am Donnerstag. Slowenische Sicherheitsexperten wittern kroatische Geheimdienste hinter der Abhöraffäre.

Cerar kritisierte das Verhalten der beiden slowenischen Akteure als unangemessen und forderte, dass sie die Verantwortung übernehmen. Trotzdem sei das Schiedsgericht weiterhin "am Leben", betonte er. Slowenien werde, falls nötig, seinen Schiedsrichter ersetzen, hieß es weiter. Das Tribunal des Schiedsgerichts besteht aus fünf Richtern, auf drei hatten sich die beiden Seiten gemeinsam geeinigt, jeweils einen Richter ernannte jedes Land selbst. Im Fall Slowenien war es Jernej Sekolec.

Erste Konsequenzen

Der Skandal brachte offenbar schon erste Konsequenzen. Laut Medienberichten haben sich sowohl der slowenische Schiedsrichter als auch die Beamtin des Außenministeriums aus dem Schiedsverfahren zurückgezogen. Laut Beobachtern war das eine erwartete Reaktion, die aber das Verfahren verzögern könnte. Vom Schiedsgericht mit Sitz in Den Haag gab es zu dem Geschehen noch keinen Kommentar.

Als Hintergrund der Affäre wittert man in Slowenien die Absicht Kroatiens, sich aus einer ungünstigen Situation zu retten. Den abgehörten Gesprächen ist nämlich zu entnehmen, dass der Schiedsspruch günstiger für Slowenien ausfallen dürfte. Der Großteil der umstrittenen Adria-Bucht von Piran würde nämlich Slowenien zufallen. Stimmt das, dann wäre es laut slowenischen Kommentatoren verständlich, dass Zagreb mit diesem Manöver nach einem Ausweg sucht. Desto mehr, weil die für Dezember angekündigte Verkündung des Schiedsspruchs mit dem Wahlkampf vor den kroatischen Parlamentswahlen zusammenfallen würde. (APA, 23.7.2015)