Wien – Im Körper wohnt eine Wildheit. Alle wissen das, aber immer faszinieren und schockieren die kreativen oder destruktiven Ausbrüche, zu denen Menschen fähig sind, aufs Neue: Aufstände gegen das Geordnete, das Zivilisierte, Kultivierte und Disziplinierte.

In der Performancekunst der 1950er- bis 1970er-Jahre wurde mit Nachdruck versucht, den Widerständen des Körpers gegen seine Schranken Ausdruck zu verleihen. Die Tänzerin, Performerin und Künstlerin Akemi Takeya hat sich drei Jahrzehnte lang mit diesem Körper und den Zerreissproben, denen dieser in den Regelwerken seiner sozialen Organisation ausgesetzt ist, beschäftigt.

Seit 24 Jahren lebt und arbeitet die Japanerin bereits in Wien. Ihre jüngste Performance, Lemonism x Actionism, zu sehen bei dem Impulstanz-Projekt "Redefining Action(ism)" in der Mumok-Ausstellung "Mein Körper ist das Ereignis", gehört zu den besten Werken der stets neugierigen Tänzerin.

Zwischen den Projektionspaneelen für die Videos hat sich Takeya eine Installation gebaut: einen Kreis aus 72 nummerierten sowie auf Englisch und Japanisch beschrifteten Zitronen. Auf jeder davon steht ein schlagworthaftes Motiv zu lesen – etwa Gliding Soul, Classical Artist oder Theoretical Octopus – und jede ist einer eigenen Körperstelle zugeordnet.

Nackt bis auf einen Slip und mit schwarz bemaltem Körper tritt sie in den Kreis. Mit rituellem Gestus nimmt sie jede Zitrone einzeln an sich und zeigt sie in eine Kamera, die das auf die Früchte geschriebene Motiv über Projektoren auf einige Paneele überträgt.

Mit jeder Frucht (und langem Küchenmesser) bearbeitet sie ihren Körper anders. Zitronensaft in Augen, Ohren und Vagina, die Klinge über die Pulsadern gezogen – Takeya zitiert aus der radikalen Performance (Marina Abramović) oder Aktionskunst (Günter Brus) und daraus auch den Drang, sich Schmerzen zuzufügen.

Obwohl die Künstlerin nur eine Kurzfassung dieser Arbeit zeigte, wurde klar: Hier widerspiegelt eine konzeptuelle Choreografie das kühle Verhältnis der Gegenwart zur historischen Aktionskunst genauso wie die These, dass der Körper, ähnlich wie in den 60ern, auch heute in schweren kulturellen Verklemmungen steckt. (Helmut Ploebst, 22.7.2015)