Dreht und wendet sich wie ein nicht so recht passendes Puzzleteil über den Grooves seiner Band: Crooner und Gaukler Kurt Elling am Malta-Jazz- Festival.

Foto: Joe Smith

Einige Jazzhörer sind mit Booten zum Konzert gekommen. Rechts der Bühne vor Anker gegangen, schaukeln sie vor dem malerischen Hintergrund des Hafens von Valletta mit seinen charakteristischen Sandsteinbauten auf den Wellen. Der Duft von Gegrilltem weht bisweilen von den Booten herüber, vermischt sich mit der Mittelmeerbrise.

Auf Festivals kann einen ja zwischendurch immer noch das Gefühl beschleichen, dass sich Jazz, vor allem der "klassische", nicht fürs Großformat eignet. Dass er eher in den kleinen Rahmen gehört denn auf große Freiluftbühnen. Dass ihm die tontechnische Verstärkung, wo man eigentlich unmittelbar der Körperlichkeit von Instrumenten ausgesetzt sein möchte, nicht guttut, weil sie die Intimität zwischen Musikern und Publikum untergräbt.

Vier Kameras und eine Malerin

Im Grand Harbour der maltesischen Hauptstadt Valletta, wo vergangenes Wochenende zum 25. Mal das Malta-Jazz-Festival stattfand, kann man derlei Sorgen vorübergehend vergessen. Obwohl es programmtechnisch einiges zu bieten hat, bezaubert es mit Überschaubarkeit. Es muss keine Besuchermassen bewältigen, eine Handvoll Standln gereicht zur Verköstigung. Zu vier Kameras gesellt sich eine Malerin an der Staffelei, die sich vom Geschehen auf der Bühne zu Musikerporträts inspirieren lässt. Vier Tage dauert die Chose, vor den Headlinern sind jeweils lokale und weniger bekannte Kombos zu hören, wobei negativ einzig auffällt, dass praktisch keine Frauen vertreten sind.

Die Überschreitung der Grenze zum gar Gefälligen respektive zu den kommerziell-weichgespülten Variationen des Jazz, wie sie bei vielen etablierten Festivals mittlerweile nicht selten ist, findet man indes nur bedingt. Zwar gibt es auch Süßstoff: Die Crooning-Aneignung des Chicagoer Sängers Kurt Elling wird man, wiewohl nicht anspruchslos, ebenso wenig spröde nennen wie die musikalischen Reisen von Richard Bona.

Bebop als Zwischenstopp

Die Mischung mit moderneren Ansätzen ist allerdings recht ausgewogen. Auch am Free Jazz geschulte, sperrig quäkende Saxofonduette von Soweto Kinch und Shabatka Hutchings oder die treibenden, mit Elektronik versetzten Ausritte eines Trios um Saxofonist David Binney sind vertreten. Bevor am Samstag Chucho Valdés' 1973 gegründetes, stilbildendes Ensemble afrokubanische Jazzvariationen präsentierte, traten etwa die Children of the Light auf.

Dahinter stecken keine Geringeren als Pianist Danilo Pérez, Bassist John Patitucci und Drummer Brian Blade: jenes Trio, das auch mit Saxofonlegende Wayne Shorter ein Quartett bildet. Hier klirrten die Dissonanzen zu den unberechenbaren Metamorphosen der Stücke. Jener Bebop, der bei den Opening Acts teilweise im Zentrum stand, geriet zum Zwischenstopp, wenn Pérez mit Hang zum Bitonalen durch aufgekratzte Stücke wirbelte.

Und man bewegt sich doch

Bei Valdés wurden die Gesetze der tonalen Schwerkraft kaum aufgelöst, auch wenn der Leader dick orchestrierte Akkorde durch sämtliche Register verschob, das Klavierspiel an einen Punkt brachte, wo sich die Einzeltöne zugunsten von Farbenspielen verlieren. Getrieben von einem unbestechlich groovenden Percussionistentrio nebst akkuratem Bläsersatz gingen die Stücke direkt ins Tanzbein.

Valdés' zehnköpfiges Ensemble war schließlich auch der einzige Act, dem in vier Festivaltagen so richtig das Kunststück gelang, das Publikum in Malta zum Zugaberufen und Tanzen zu bewegen. (Roman Gerold, 21.7.2015)