Die Statistikerin Caroline Uhler hat kürzlich einen Start-Preis des FWF erhalten.

Foto: privat

Wenn Caroline Uhler ins Büro geht, beschäftigt sie sich die meiste Zeit mit Knoten und Kanten. Ihr Metier ist die mathematische Statistik und Netzwerktheorie. In dieser Theorie besteht die Welt aus Dingen ("Knoten") und ihren Verbindungen ("Kanten"). Das können zum Beispiel Gene sein oder Server im Internet. "Üblicherweise bekomme ich von den Biologen Daten, aus denen nur hervorgeht, wie viele Proteine die Gene herstellen. Ich versuche zu rekonstruieren, wie sich die Gene beeinflussen", sagt die 1983 geborene Schweizerin, die seit 2011 am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg forscht. Ihr Ziel ist ein Modell, das die Wechselwirkungen im Netzwerk der Gene abbildet. Idealerweise so realistisch, dass man nur noch am Computer nachschauen muss, um etwas über die Funktion eines Gens zu erfahren.

Uhlers Forschungen sind bisher sehr erfolgreich verlaufen: Kürzlich erhielt sie für ihre Projekte den mit einer Million Euro dotierten Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF – die höchste Auszeichnung, die das Land für Nachwuchsforscher zu bieten hat. Uhler hat an der Universität Zürich Mathematik studiert, fühlte sich aber von Beginn an zur Statistik hingezogen. Im Nebenfach belegte sie Biologie. "Mir war am Anfang nicht klar, wie man das alles kombinieren könnte." Das entscheidende Ahaerlebnis stellte sich ein, als sie eine Vorlesung bei ihrem späteren Doktorvater Bernd Sturmfels über "algebraische Statistik und computationale Biologie" belegte. "Das war der Mix von allem." Dieser Themenmix im Grenzbereich von Biologie und Statistik sollte fortan ihren akademischen Werdegang bestimmen.

Es folgte eine Dissertation an der University of California in Berkeley. "Das war eine super Erfahrung. In Amerika muss man als Dissertantin sehr viele Kurse belegen. Dadurch kommt man mit vielen Fachgebieten und Menschen in Kontakt. Die Leute sind offen, es gibt kaum Hierarchien. Das ist ein Riesenvorteil." Dass Uhler mit noch nicht mal 30 Jahren bereits eine Professur am IST – eine sogenannte Tenure-Track-Stelle mit Aussicht auf Fixanstellung – erhalten hat, liegt neben der Qualität ihrer Beiträge auch an der hohen Nachfrage am Arbeitsmarkt.

Statistiker und Computerwissenschafter sind nämlich auch bei Großkonzernen wie Google und Microsoft gefragt, wo ganz ähnliche Forschungen betrieben werden. Lange Postdocphasen mit großer Unsicherheit gibt es in diesen Fächern nicht.

Was macht eine kreative Statistikerin aus? "Analogiedenken", sagt Uhler. "Man muss Verbindungen zwischen unterschiedlichen Gebieten herstellen können. Statistik zu machen bedeutet, dass man Methoden mit Anwendungen in vielen Feldern findet – nicht nur in einem." So ein Analogieschluss ist auch ihr kürzlich gelungen. In einem ihrer Projekte versuchte sie zu rekonstruieren, welchen Weg Daten durch das Internet nehmen, bevor sie bei einem Server ankommen. Dabei fiel ihr auf, dass es diese Problemstellung in einem ganz anderen Fach gibt: der biologischen Verwandtschaftsforschung. Stammbäume von Tierarten sind im Grunde auch Rekonstruktionen. Man schließt vom Jetzt auf das Vergangene und versucht, den richtigen Pfad zu finden: "Die Biologen verwenden andere Namen, ihre Methoden sind die gleichen." (Robert Czepel, 26.7.2015)