Ein Ameisenmann in Maulwurfsposition: Paul Rudd muss sich in "Ant-Man" erst an die neuen Größenverhältnisse gewöhnen.

Foto: Disney

Trailer zum Film.

Marvel Deutschland

Wien – Die Blockbusterformel, wonach erst die permanente Übersteigerung des schon Dagewesenen Erfolg garantiert, hatte diesen Sommer bereits Jurassic World zum Teil seines Selbstverständnisses erhoben. "Niemand interessiert sich mehr für Dinosaurier", hieß es da von einer für den Spaß am Schrecken verantwortlichen Figuren, um dann mit einem Reptil aufzuwarten, das größer, schlauer und gefräßiger als alle anderen ist.

Höchste Zeit, diese Logik zu durchbrechen und den Beweis anzutreten, dass es auch andere Möglichkeiten auszuschöpfen gilt. Niemand schien dazu besser geeignet als Ant-Man, jener Superheld aus dem Marvel-Universum, der seine Stärke aus der Fähigkeit bezieht, sich winzig klein zu machen. Per Knopfdruck vermag er auf Ameisengröße zu schrumpfen, bewahrt dabei jedoch enorme Kräfte. Und er kann auf die Hilfe der bekanntlich gut organisierten Insekten setzen.

Wer nicht gleich gesehen werden kann, hat den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite – die Formel hätte für die ganze Produktion gelten können. Doch das Projekt, das vom auf Genresatiren geeichten Autorenteam Edgar Wright und Joe Cornish (Shaun of the Dead) entwickelt wurde, kam jahrelang nicht recht vom Fleck. Offensichtlich schien das erfolgsverwöhnte Comics-Haus, das seit 2009 zu Disney gehört, andere Prioritäten zu setzen. Nach Wrights Rückzug wurde das Drehbuch von Adam McKay (Anchorman) überarbeitet, Peyton Reed kam als Regisseur hinzu, und der aus Judd-Apatow-Komödien bekannte Paul Rudd, der in seinen Parts stets eine gewisse Leichtigkeit bewahrt, wurde als Hauptdarsteller gebucht.

Der kleinste aller Superhelden: also doch ein Opfer von "too big to fail"? Die Antwort darauf fällt zwiespältig aus. Der Film hat einige sehr komische, pointierte Einfälle, spielt manchmal virtuos mit Größenverhältnissen – 3-D schafft hier endlich Mehrwert -, und doch gewinnt man zeitweise den Eindruck, Reed und seine Autoren sind mit angezogener Handbremse unterwegs. Es klingt widersprüchlich, wenn man über einen Film mit schrumpfendem Helden, der sich durch eine vom Himmel stürzende Aktentasche prügelt, sagt, er würde nicht dreist genug vorgehen – aber so ist es.

Eine erfreuliche Abweichung ist das an Sam Raimis Spider-Man-Filme erinnernde Verankertsein des Helden in einer Alltagswelt. Scott Lang, so sein bürgerlicher Name, ist ein verurteilter Dieb (freilich mit hoher Moral im Herzen), der sich bessern und seiner kleinen Tochter endlich ein Vater sein will. In einer Szene, die auf McKays leider zu selten spürbarem Wortwitz verweist, verkauft er Eiscreme in einer Baskin-Robbins-Filiale – der schwierige Weg ins zivile Dasein mitsamt seinen Scheinheiligkeiten wird hier vergnüglich auf den Punkt gebracht.

Surreale Alltagswelt

Formelhafter wirkt dagegen jener zentrale Plot, der uns miterleben lässt, wie aus diesem Durchschnittsverlierer Ant-Man wird. Dabei spielt Michael Douglas als genialer, zurückgezogen lebender und allzu geschwätziger Wissenschafter Dr. Hank Pym die tragende Rolle. Er will seinen einstigen Ziehsohn daran hindern, das Schrumpfserum als Kriegstechnologie zu missbrauchen – per Einbruch, bei dem jener aus Brian de Palmas Mission: Impossible noch übertroffen werden muss.

Der Weg dorthin führt über eine verschobene Wahrnehmung der Welt und beschert dem Film sein eigentliches Gimmick. Es ist ein surreales Erlebnis, die Dinge in anderen Proportionen zu betrachten – das hat einst schon The Incredible Shrinking Man (1957) gezeigt. Dass sich der Spaß dabei weniger der Technologie als der Umdeutung des Bekannten verdankt – der Spielzeugeisenbahn, die zum Action-Schauplatz wird -, beherzigt Ant-Man fast zu zögerlich. Man könnte auch sagen: Das Kleine hat im Baukastensystem der Großen einen schweren Stand. (Dominik Kamalzadeh, 20.7.2015)