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"Their Royal Heilnesses" titelte die "Sun" am Wochenende. Ein von der Boulevardzeitung veröffentlichtes Filmfragment, das die Queen als Kind beim Hitlergruß zeigten soll, sorgt auch unter Historikern für Diskussionen.

Foto: AP / Tim Ireland

Eine 17 Sekunden lange, mehr als 80 Jahre alte Fimaufnahme heizt seit dem Wochenende die Debatte über die Vergangenheit der britischen Königsfamilie an. Es zeigt die heutige Königin Elisabeth als junges Mädchen sowie ihre Mutter beim Zeigen des Hitlergrußes. Die Anregung für die Szene kommt offenbar vom Kurzzeitkönig und Nazisympathisanten Edward VIII., dessen Abdankung das Königshaus 1936 in eine tiefe Krise stürzte. Während sich der Buckingham-Palast "enttäuscht" über die Veröffentlichung des Filmausschnitts im Boulevardblatt "Sun" äußerte, fordern Historiker die längst überfällige Öffnung des strenggeheimen Königsarchivs.

Das Millionenblatt des als Kritiker der Royals bekannten Medienunternehmers Rupert Murdoch veröffentlichte die Story am Samstag auf der Titelseite und unter der Überschrift "Their Royal Heilnesses" – ein Wortspiel mit "Royal Highness", also Königliche Hoheit. Experten zufolge ist die Szene im Park des Sommerpalastes im schottischen Balmoral im Jahr 1933 oder 1934 aufgenommen, die heutige Königin war also sieben oder acht Jahre alt. Auch die damalige Herzogin Elizabeth von York und spätere Queen Mother hebt den Arm zum Faschistengruß, im Hintergrund ist der spätere König Edward VIII. zu sehen, damals noch Prinz von Wales.

Vorwurf des "neuen Tiefpunkts"

Die britischen Medien berichteten am Wochenende ausführlich über den "Sun"-Scoop. Darunter waren rührende Versuche der Boulevardkonkurrenz, den Hitlergruß umzudeuten – übten die Prinzessinnen nur ein fröhliches Winken, versuchten sie ihren Corgies neue Tricks beizubringen? Ausgerechnet die "Mail" des Medienhauses Rothermere bezichtigte die Murdoch-Postille, diese habe einen "neuen Tiefpunkt ihres Niveaus" erreicht. Der erste Graf Rothermere schrieb in den 1930er-Jahren für sein Blatt begeisterte Leitartikel über die britischen Faschisten und gratulierte dem "großartigen und übermenschlichen" Diktator Deutschlands, Adolf Hitler, zum Einmarsch ins Sudetengebiet 1938 und in die restlichen Regionen der ehemaligen Tschechoslowakei ein halbes Jahr später.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es am Hof, die heute 89-jährige Königin sei "wütend" über die Veröffentlichung. Anwälte des Palasts suchen nach der Quelle und nach Möglichkeiten, die kurze Filmszene der Öffentlichkeit zu entziehen.

Copyrightfrage unklar

Sollte der spätere König gefilmt haben, könnte das Copyright bei seiner Tochter und Erbin liegen. Möglicherweise gehörte die Kamera aber Edward VIII; dessen Hinterlassenschaft kaufte nach dem Tod von seiner Frau Wallis Simpson 1986 der ägyptische Kaufmann Mohammed Al-Fayed. Dessen Beziehung zum Königshaus ist seit dem gemeinsamen Unfalltod seines Sohnes Dodi mit Prinzessin Diana 1997 zerrissen. Er bezichtigte das Königshaus, hinter dem Crash zu stehen.

Die Kontroverse um die Filmszene bietet namhaften Historikern die Gelegenheit, auf die andauernde Behinderung ihrer Arbeit durch das Königshaus hinzuweisen. Sie habe für ein Buch über Königin Victoria (1837–1901) hervorragende Hilfe durch das Königsarchiv auf Schloss Windsor erhalten, berichtet beispielsweise die in London lebende deutsche Wissenschafterin Karina Urbach. Als sie aber über die zwielichtigen Verbindungen zwischen deutschen und britischen Adeligen in der Zwischenkriegszeit forschte, blieb Windsor verschlossen. "Das ist ein Skandal", erklärte Urbach. Die Royals seien damals – ebenso wie heute – viel politischer gewesen, als man denke. "Die Königsfamilie muss ihrer Vergangenheit ins Auge sehen." (Sebastian Borger aus London, 19.7.2015)