Diesen Schrecken in "Unknown User" bringt man nicht mit einem Klick zum Verschwinden.

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Wien – Der Begriff Screenshot, gewissermaßen das Gegenteil von Snapchat, wurde bisher noch nicht in allen seinen Facetten ausgelotet. Ein neuer Horrorfilm geht aber zumindest schon einmal in diese Richtung: Unknown User spielt sich nämlich ausnahmslos auf Benutzeroberflächen ab. Zu sehen ist die ganze Zeit nichts anderes als das übliche Chaos, das multitaskende Menschen ebenso auf ihren Geräten offen haben – ein Videochat hier, ein Dialogfenster da, und dauernd poppt auch etwas auf. Mal wird Skype für eine erotische Anbahnung genützt, dann wird ein Video dem falschen Publikum zugänglich gemacht, und zwischendurch probiert auch jemand etwas mit dem guten alten Telefon. Nämlich die Polizei zu rufen, die aber für Verbrechen von der Art in Unknown User nicht zuständig ist, weil sie noch von keinem Gesetzgeber definiert wurden.

Oder wie soll man das nennen, wenn jemand durch einen Angriff aus dem virtuellen Raum das Zeitliche segnet? Der Originaltitel dieses zuerst einmal originell wirkenden Horrorfilms weist die richtige Richtung: Cybernatural. Nach dem Übernatürlichen kommt das Cybernatürliche. Das Böse wohnt zwar in den einschlägigen Filmen schon lange in den Geräten, aber noch hat niemand das mit solcher Konsequenz auf die flache Scheibe gebannt, in der eine Kamera das Fenster zur Hölle bildet. Oder was heutzutage als Hölle gilt.

Das Leben aufsaugen

Sechs amerikanische Teenager, alle von der stereotypen Art, sind in Unknown User zusammengeschaltet, allen treffen sich auf dem Schirm von Blair, einer typischen mittleren Identifikationsfigur, einem hübschen „square girl“ mit einem Boyfriend, der bevorzugt mit nacktem Oberkörper vor dem Rechner fläzt. In die abendlichen digitalen Unterhaltungen mischt sich ein unbekannter Nutzer, der recht umstandlos mit einem toten Mädchen identifiziert wird. Laura nahm sich vor einem Jahr das Leben, nachdem sie Opfer eines viralen Videos wurde, in dem sie in einer unvorteilhaften Situation zu sehen war.

Für das Drehbuch von Unknown User wird niemand einen Hugo Award oder eine andere Auszeichnung für innovative Imagination bekommen. Es zeichnet sich im Gegenteil durch größtmögliche Berechenbarkeit aus, wobei die Ideen des jüngeren medienreflexiven Horrorkinos einigermaßen konsequent weitergeführt werden. Paranormal Activity oder sogar schon das Blair Witch Project gingen ja von einer Generation Selfie aus, die nun in Unknown User von Levan Gabriadze end gültig nicht mehr aus dem Haus kommt, sondern einfach auf Dauersendung der eigenen Belanglosigkeit gestellt hat. Der anfänglich interessante Effekt, einen ganzen Film auf die Ebene zu bannen, auf der er später einmal neben anderen Zerstreuungen untergehen wird, erschöpft sich schnell in der linearen Weise, wie die Protagonisten aus dem Screen geschossen werden.

Nebenbei lernt man aus Unknown User noch, dass sich heute wirklich niemand mehr auch unter noch so vertrauenerweckenden Umständen beim Sex filmen sollte, denn so sichere Dropboxen oder externe Festplatten gibt es gar nicht, dass nicht eine Nebenbuhlerin von der anderen Seite noch drankommen könnte. Darüber hin aus wird man sich an diesen Film vielleicht eines Tages einmal vor allem wegen seiner Tonspur erinnern: Die vertrauten Jingles und Töne, die akustische Einwahl beim Öffnen einer Skype-Verbindung, all das hat etwas von einer historischen Spur in einer Gegenwart, die rasend schnell das Leben aufsaugt, und auch Unknown User verschlucken wird wie ein Fenster, das sich mit einem Klick schließen lässt. (Bert Rebhandl, 17.7.2015)