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Fabio Capello, der Maestro. Er sollte den russischen Fußball für die WM 2018 fit machen und wurde fürstlich dafür entlohnt, doch die Erfolge bleiben aus.

Foto: Reuters/SHEMETOV

Moskau – Vernunftehen halten am längsten. Am Ende konnte aber auch eine enorm teure Abfindung die Scheidung zwischen dem russischen Fußballverband (RFS) und dessen Trainer Fabio Capello nicht mehr verhindern. 930 Millionen Rubel, also rund 15 Millionen Euro, lässt sich Moskau die Trennung kosten.

Kaum einer krächzt so romantisch "O Bella Ciao" wie der russische Rockpoet Garik Sukatschow. Das Verhältnis der russischen Fans und Fußball-Offiziellen zu ihrem italienischen Star-Trainer war in den letzten Monaten weit weniger romantisch und der Abschied daher emotionslos.

Der 2012 mit großen Erwartungen geholte Italiener konnte die Hoffnungen der Russen auf eine Wiedergeburt als große Fußballnation zu keiner Zeit erfüllen. Attraktiven Fußball spielte die Sbornaja nie unter ihm. Kreativität und Spielfreude waren weniger gefragt als taktische Disziplin. Solange er mit seinem defensiven Stil erfolgreich war und ihm die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Brasilien gelang, verziehen ihm die Fans.

Knackpunkte Weltmeisterschaft

Das enttäuschende Vorrundenaus in der nominell schwächsten WM-Gruppe (weiter kamen Belgien und Algerien) führte zum Bruch. Der russische Fußballverband entschied sich wohl nur aus finanziellen Gründen für eine Weiterbeschäftigung: Der kurz vor dem Mundial bis 2018 zur russischen Heim-WM verlängerte Vertrag sicherte dem Trainer bei einer vorzeitigen Entlassung die volle Gehaltssumme zu – bei angeblich sieben Millionen Euro pro Jahr immerhin 28 Millionen.

Dabei fehlte es selbst für die regulären Gehaltsüberweisungen an Geld. Immer wieder mussten Oligarchen dem von internen Querelen geschüttelten Verband mit Millionenbeträgen aushelfen. Capellos Schweigen angesichts mehrmonatiger Lohnrückstände halfen ihm, sich trotz unbefriedigender Resultate durch die halbe EM-Qualifikation zu wursteln. Erst die schmerzliche 0:1-Heimniederlage gegen Österreich, die fast schon gleichbedeutend mit dem Scheitern ist, ließen die Verantwortlichen in Moskau an der Reißleine ziehen.

Hin und her

Russlands Sportminister Witali Mutko (der noch vor einem Jahr voreilig die lukrative Verlängerung besiegelt hatte) verkündete kurz nach dem Spiel Mitte Juni bereits, die Entscheidung sei gefallen. Trotzdem dauerte es noch einen Monat bis sich beide Seiten auf einen Kompromiss einigen konnten. Capello hat demnach auf rund sechs Millionen der noch ausstehenden Beträge verzichtet.

Das Abschieds-Statement hätte kaum formaler ausfallen können: "Der RFS dankt Fabio Capello herzlich für die getane Arbeit auf dem Posten des Cheftrainers und wünscht ihm Erfolg in seiner weiteren professionellen Tätigkeit. Fabio Capello seinerseits ist dem RFS für die Hilfe und Unterstützung dankbar, die er in all den Jahren seiner Arbeit erfahren hat. Er dankt auch den Spielern für die gemeinsame Arbeit und den Fans für die treue Unterstützung der Nationalmannschaft", verlautbarte der Verband auf seiner Webseite.

Für Capello ist der Rücktritt wohl gleichbedeutend mit dem Ende seiner Trainerlaufbahn: Der 69-Jährige, der sieben italienische Meisterschaften mit dem AC Mailand, AS Rom und Juventus Turin (die letzteren im Rahmen der Juve-Korruptionsaffäre aberkannt), zwei spanische Meisterschaften mit Real Madrid und einmal die Champions League gewinnen konnte, hatte schon sein Engagement als englischer Nationalcoach als "letzte" Trainerstation bezeichnet, ehe ihn das lukrative Angebot aus Moskau 2012 aus dem vorläufigen Ruhestand holte. Eine ähnliche Offerte wird er wohl nicht mehr bekommen.

Ein Russe soll kommen

Russlands Nationalmannschaft steht vor einem Umbruch: Die Verbandsführung hat bereits betont, dass der nächste Nationaltrainer Russe sein werde. Als wahrscheinlichster Kandidat gilt der derzeitige ZSKA-Trainer Leonid Sluzki. Der 44-Jährige konnte bereits jeweils zweimal die russische Meisterschaft und den Pokal mit ZSKA gewinnen.

Sluzki wollte die Gerüchte nicht kommentieren. "Mit mir hat sich wegen der Sbornaja noch keiner in Verbindung gesetzt", sagte er nur. Problem ist, dass der russische Verband bislang eine Doppelfunktion ausgeschlossen hat. ZSKA-Präsident Jewgeni Giner seinerseits will den Spezialisten nicht kampflos ziehen lassen. Ob sich der RFS noch eine zweite Ablösesumme für einen Trainer leisten kann und will, ist derzeit ungewiss.

Als Alternativen stehen Ex-Nationaltorhüter Stanislaw Tschertschessow (in den 90er Jahren bei Dynamo Dresden in der Bundesliga aktiv), Juri Sjomin oder Kurban Berdyjew bereit. Tschertschessow wurde gerade bei Dynamo Moskau vor die Tür gesetzt, wäre also frei und Medienberichten nach auch interessiert.

Der 68-jährige Sjomin, der die Sbornaja kurzzeitig 2005 schon trainierte, wurde hingegen gerade von Anschi Machatschkala verpflichtet. Berdyjew, der seine größten Erfolge als Klubtrainer mit Rubin Kasan (zweimaliger Meister) feierte, steht bei Rostow unter Vertrag. (André Ballin aus Moskau 14.7.2015)