Stromerzeugung aus Sonnenlicht gewinnt mittlerweile immer mehr an Bedeutung. Technische Fortschritte auf diesem Gebiet hängen wesentlich davon ab, dass es gelingt, die durch Licht erzeugte Energie bei nur minimalen Verlusten zu transportieren. Dafür werden neuartige Komponenten und Bauelemente benötigt. Deutsche Forscher haben nun Nanofasern entwickelt, die bei Raumtemperatur einen zielgerichteten Energietransport erstmals über mehrere Mikrometer ermöglichen.

Die Forschergruppen um Richard Hildner und Hans-Werner Schmidt an der Universität Bayreuth haben supramolekulare Nanostrukturen hergestellt, in denen sich die von Licht erzeugte Energie geradlinig über mehrere Mikrometer fortpflanzt – und zwar bei Raumtemperatur, ohne dabei wesentlich schwächer zu werden. Diese Nanostrukturen sind aus über 10.000 identischen Bausteinen aufgebaut. Jeder Baustein ähnelt dabei in seiner Struktur einem Propeller mit drei Flügeln: In der Mitte befindet sich eine Carbonyl-verbrückte Triarylamin-Einheit; hieran sind drei Naphthalimidbithiophen-Chromophore befestigt, die nach außen abstehen.

Diese scheibchenförmigen Bausteine bilden spontan durch Selbstorganisation Nanofasern mit Längen von mehr als 4 Mikrometern und einem Durchmesser von nur 0,005 Mikrometern (zum Vergleich: ein menschliches Haar ist ungefähr 50 bis 100 Mikrometer dick). Entscheidend für den Energietransport ist die Carbonyl-verbrückte Triarylamin-Scheibe, die von der Forschungsgruppe um Milan Kivala an der FAU Erlangen-Nürnberg synthetisiert und an der Universität Bayreuth chemisch modifiziert wurde.

Effizienter Energietransport dank quantenmechanischer Kohärenz

Mit einer Vielzahl von Mikroskopietechniken haben die Bayreuther Wissenschaftler sichtbar gemacht, wie die Energie eine solche Nanofaser in Längsrichtung durchläuft. Selbst bei einer Distanz von 4,4 Mikrometern treten nur äußerst geringfügige Verluste auf. Würde man – wiederum auf dem Weg der Selbstorganisation – die Faser um weitere Bausteine verlängern, könnte die Energie auch diese größere Reichweite durchlaufen. Beim Energietransport durch die Nanofaser arbeiten die perfekt angeordneten molekularen Bausteine in einer präzise aufeinander abgestimmten Weise. Sie geben die Energie in einem gleichmäßigen Takt von einem Baustein zum nächsten weiter: ein Phänomen, das in der physikalischen Forschung als quantenmechanische Kohärenz bezeichnet wird.

"Wir haben hier sehr vielversprechende Nanostrukturen vor uns, die deutlich machen, dass die Suche nach optimal geeigneten Materialien für den effizienten Transport von Lichtenergie ein lohnendes Forschungsgebiet darstellt", erklärt Hildner, der sich an der Universität Bayreuth auf das Forschungsgebiet des "Light Harvesting" ("Lichternte") spezialisiert hat. Hier geht es darum, die Transportprozesse in der pflanzlichen Photosynthese möglichst genau zu verstehen, um die dabei gewonnenen Erkenntnisse für die Energieerzeugung aus Sonnenlicht zu nutzen.

"Die von uns synthetisierten supramolekularen Nanostrukturen können uns möglicherweise weiteren Aufschluss darüber geben, wie der Photosynthese-Apparat in Pflanzen oder auch in Bakterien funktioniert. Außerdem wollen wir in den nächsten Monaten prüfen, inwieweit sich diese Strukturen beispielsweise als Komponenten für neuartige Architekturen von Solarzellen und optischen Bauelementen eignen", so Hildner. (red, 13.7.2015)