Seit das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen aus allen Nähten platzt, urgierten Medienvertreter Zugang zum Lager. Am Donnerstag durfte erstmals eine größere Journalistengruppe hinein. Hier Eindrücke von jenseits des offiziellen Besuchspfads.

Willkommen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen! Um mitzukriegen, dass am Gelände derzeit rund 1.200 Flüchtlinge obdachlos unter Bäumen und Sträuchern, auf Kies und Beton nächtigen, muss man das Lager selbst gar nicht betreten. Bei einem Rundgang ums Areal reicht ein Blick über den Zaun. Wer diesen übersteigt, muss übrigens bis zu 3.000 Euro Strafe zahlen – steht in der "Verordnung".

Foto: Irene Brickner

Auch zur Mittagszeit schlafen Asylwerber im Gras, erschöpft vom anstrengenden Leben ohne Privatheit unter freiem Himmel. Andere haben in diesem abgelegeneren Teil des Lagergeländes, das von einer Mauer nach außen abgeschirmt wird, ihre Habseligkeiten deponiert: erzwungenes Kampierverhalten.

Foto: Irene Brickner

In der Nacht davor gab es Regen und Sturm. Da hat es einiges über die Mauern nach draußen geweht. Drinnen benutzen die Obdachlosen die Mauer, um ihre Kleider aufzuhängen und gegebenenfalls zu trocknen. Fast täglich wird im Erstaufnahmezentrum ein Kleider-"Bazar" organisiert. Trotzdem klagen Flüchtlinge, dass sie zum Beispiel keine passenden Schuhe bekämen. Die Leitung bestreitet dies.

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Die Mauern und Zäune rund um das weitläufige Lagerareal werden per Video überwacht. Dennoch erzählen Flüchtlinge, dass sie "schwarz" nachts über den Zaun ins Erstaufnahmezentrum gelangt sind. So etwa ein junger Mann aus Syrien, der ins Burgenland verlegt worden war. Doch im zugewiesenen Quartier habe ein solch autoritärer Ton geherrscht, dass er lieber als Obdachloser zurückgekehrt sei.

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Beginn der Medienführung: Gernot Maier, Leiter der Abteilung Grundversorgung im Innenministerium (links), und ein Kollege geleiten die über 30 Journalistinnen und Journalisten zur Fragerunde. Ins Erstaufnahmezentrum dürfen Medienvertreter nur in Behörden-Begleitung. Geht ein Journalist auf Asylwerber zu und redet mit ihnen, wird er rasch in die Gruppe zurückgeholt.

Foto: Irene Brickner

Journalisten-Info im sommerlich unbenutzten Klassenzimmer im Haus eins des Lagers: ein passender Rahmen. Maier, Ministeriumssprecher Alexander Marakovits und Lagerleiter Franz Schabhüttl (Mitte, von links nach rechts) beantworten Fragen. Als gefragt wird, weshalb die Medien-Einladungspolitik ins Lager so selektiv ist, ärgert sich ein Kollege: "Lassts das, die Zeit fehlt uns gleich beim Rundgang!"

Foto: Irene Brickner

Rundgang-Start in leeren Gängen im Haus eins. 700 Asylwerber sind in dem Gebäude untergebracht, mehr dürfen es aus feuerpolizeilichen Gründen nicht sein. In den Gängen darf niemand campieren, auch keine Obdachlosen von draußen, wenn es regnet. Dafür sorgen vielsprachige Zettel an den Türen in allen Stockwerken sowie Security-Patrouillen.

Foto: Irene Brickner

Was ist das? Ein nicht belegter Raum im heillos überfüllten Erstaufnahmezentrum? Tatsächlich: Aus oben genannten feuerpolizeilichen Gründen darf der "Höchststand" Untergebrachter nicht überschritten werden. Sicherheitstechnisch ist das verständlich: Sollte es brennen, muss gewährleistet sein, dass alle im Haus befindlichen Menschen rechtzeitig rauskommen.

Foto: Irene Brickner

Doch der Gegensatz wirkt skandalös: Während drei Stöcke tiefer Menschen auf dem Boden nächtigen, stehen im leeren Raum stapelweise Klappbetten. Allein im Haus eins des Erstaufnahmezentrums sind 31 Zimmer unbelegt.

Foto: Irene Brickner

Haus drei, Saal neben dem Infopoint. Noch vor einem Jahr standen hier Fitnessgeräte, jetzt drängen sich die Stockbetten, bewohnt von einem Teil der 1.830 Glücklicheren im Lager: jenen, die eine feste Unterkunft und ein Bett ergattert haben.

Foto: Irene Brickner

In ein Stockbett haben es diese Flüchtlinge nicht "geschafft". Mit Isomatten als Unterlage suchen diese Männer vor dem Eingang zu einer Halle Schutz vor dem an diesem Tag böigen Wind. Die Halle wird nachts geöffnet, wer will, kann seine Lager darin aufschlagen. "We want Verlegung!" skandierten Obdachlose, als die Journalisten durch das Lager gingen.

Foto: Irene Brickner

"Come and see. This is real life", lud uns ein Flüchtling ins Zeltlager ein, das auf einem Grundstück steht, welches zur benachbarten Sicherheitsakademie gehört. 480 Menschen leben dort, auch Familien mit kleinen Kindern. Zwischen den Zelten spielen Vierjährige mit dem Puppenwagen. Anfangs wurden in den Zelten nur Männer untergebracht. "Das konnten wir so nicht weiter halten", sagt Lagerleiter Schabhüttl.

Foto: Irene Brickner

Traiskirchener Flüchtlingszelt von innen: Jeder Flüchtling hat eine Pritsche und einen kleinen Spind. Ist der Zeltzugang geschlossen, wird es drinnen binnen Minuten stickig; öffnet man ihn, wehte es an diesem Tag heftig hinein. Nachts würden vor allem die Kinder frieren, sagten Zeltbewohner.

Foto: Irene Brickner

Die Zelte haben nur einen Plastikboden, drunter kommt gleich die Wiese. Regnet es heftiger, wird es unterm Zeltboden schlammig. Die Nässe kommt auch an den Seiten hinein. Manche Asylwerber leben bereits über 40 Tage unter Planen. Ein junger Bursch aus Afghanistan konnte nicht verstehen, warum er immer noch so leben müsse, zwei seiner Freunde seien bereits in Länderquartiere gekommen.

Foto: Irene Brickner

Was am Ende bleibt, ist sehr viel Müll. Das Säubern des Lagerareals, aber auch Arbeiten in der Küche, werden von sogenannten Remuneranten erledigt: Asylwerbern, die dafür drei Euro die Stunde bekommen. Sonst gibt es für die über 3.000 Lagerinsassen nichts zu tun außer abzuwarten, ob sie nicht doch bald Chancen auf ein besseres Quartier bekommen.

Foto: Irene Brickner