Heute soll gutes Benehmen unser Thema sein. Bevor wir dazu kommen, etwas Erfreuliches. Endlich brachte das freiheitliche Magazin "Zur Zeit" das Geständnis eines von ihm begangenen groben Unrechts, natürlich nicht freiwillig, sondern im Namen der Republik. Das Blatt hatte im Mai vorigen Jahres unter der Überschrift Die Märchentante vom "Standard" die Journalistin Colette M. Schmidt des scheußlichen Verbrechens beschuldigt, sie versuche, die soziale Existenz unbescholtener Bürger, die sie für "rechts" halte, zu vernichten, wobei ihr offenbar alle Mittel recht seien.

Bei "Zur Zeit" sah man diesen Verdacht dadurch erhärtet, dass Schmidt eine Patchwork-"Mutter" sei, bekanntlich ein Frauentyp, der die soziale Existenz unbescholtener Bürger, die er für "rechts" hält, nicht nur patchwork-, sondern gewohnheitsmäßig zu vernichten pflegt, wobei ihm alle Mittel recht sind.

Üble Nachrede

Da unbescholtene Bürger, deren soziale Existenz die Patchwork-"Mutter" vernichtet haben soll, weil sie sie für "rechts" hält, vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien auch beim besten Willen von "Zur Zeit" nicht beizubringen waren, vielleicht aber auch aus anderen Gründen, sah das Gericht den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt, weshalb die freiheitlichen Beschützer unbescholtener, aber "für rechts" gehaltener Bürger zu Zahlung einer Entschädigung verurteilt wurden.

Als Patchwork-"Mutter"-Beihilfe stellte diese für wackere Freiheitliche naturgemäß eine besondere Schmach dar, für die man sich aber zu rächen wusste. Unter einem Bild der Journalistin ward enthüllt: Colette M. Schmidt, geb. 1971 in Kanada. Womit alles klar ist – was kann aus dem Ausland schon Gutes kommen!

Foto: APA/EPA/JULIEN WARNAND

Doch jetzt zum Thema. Gutes Benehmen ist wieder gefragt, aber – glaubt man dem selbsternannten Elmayer des Boulevards – nicht überall. Besonders der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis galt als das Schreckgespenst der ministeriellen Finanzsensibelchen auf dem Brüsseler Parkett. Da sprach einer einmal Klartext darüber, was von deren Sanierungsmethoden zu halten ist, zeigte sich dann auch noch höchst ungezogen stolz auf die Verachtung, die er sich dafür von ihnen zuzog – und erntete damit den sanften Tadel des Benimm- und Wirtschaftsexperten der "Krone", Michael Jeannée: Was sind Sie doch für eine üble, jämmerliche und unsympathische Figur. Ein übler, jämmerlicher und unsympathischer Täter wäre Varoufakis, ein notorischer Falschspieler.

Unwahrscheinlich, dass Varoufakis seine Finanzministerkollegen ähnlich apostrophiert hat, aber wo ein Jeannée über den guten Ton wacht, da wächst kein Gras mehr. Mehr noch als der Schreck von Brüssel – mit dem Motorrad musste er auch noch vorfahren – bekam zwei Tage später in derselben Angelegenheit der Herausgeber des "Falter" Jeannées Fett ab, der unter dem erfrischenden Titel Schlechtes Benehmen wieder gefragt einen Lobpreis des Yanis Varoufakis ausgegeben hatte.

Ton beleidigter Leberwürste

Vielleicht nicht ganz verdient, denn Thurnher kritisiert zwar, dass man sich im Ton beleidigter Leberwürste über die prinzipiengesättigten Ausführungen des Griechen mokierte, räumt aber ein: Ja, er hätte die Eurozone retten können, hätte er das Richtige nicht nur gesagt, sondern es mit besseren Manieren vorgebracht! Leicht möglich, dass da die Ausstrahlung besserer Manieren auf neoliberal getränkte Funktionäre ein wenig überschätzt wird, und mit etwas Argumentationshilfe vom guten alten Karl Marx kann sich auch Thurnher zu dieser Erkenntnis durchringen: Aber die Empörung ist nicht schon die Opposition, sie ist vorerst nur "die Folge der Vereinigung der Bourgeoisie" und keine Widerstandsform eigener Art.

Die Stelle im "Falter" ist ein wenig dunkel. Ob Varoufakis' Empörung wirklich nur "die Folge der Vereinigung der Bourgeoisie" war oder doch eher Ausdruck eines weltgeschichtlich bedauerlichen Mangels an besseren Manieren, konnte letztlich nur einer entscheiden, nämlich wiederum Michael Jeannée. Der lebt nun schon seit Jahren von dem bescheidenen Einfall, den "Falter" als Bolschewikenblattl zu bezeichnen, was ihn diesmal nicht von der Einleitung abhielt: Sie werden das Wiener Bolschewikenblattl "Falter" und seinen Chefredakteur Armin Thurnher nicht kennen, womit er seinen Leserinnen und Lesern ein geradezu diffamierendes Ausmaß an Gedächtnisschwäche unterstellte. In seinem Fall sollte man das nicht für ein Handikap halten, sondern für eine Wohltat. (Günter Traxler, 11.7.2015)