Wien – Vorgänge in Lebewesen werden von natürlichen Rhythmen wie Tag-Nacht oder Jahreszeiten gesteuert. Wiener Forscher berichten nun im "Journal of Biological Rhythms", dass sich auch menschliche Zellmembranen je nach Tageszeit anders zusammensetzen. Das könnte auch für die Medizin relevant sein, treten doch bestimmte Erkrankungen zu verschiedenen Tageszeiten gehäuft auf, etwa Herzinfarkte in der Früh.

Die Wissenschafter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchen schon seit Jahren die vorwiegend aus Fettsäuren aufgebauten Zellmembranen bei Tieren. Sie zeigten dabei, dass sich die Zusammensetzung der Fettsäuren im Laufe des Jahres ändert und sich den jeweiligen Umwelterfordernissen anpasst. "Dann hatten wir die Idee, das auch einmal beim Menschen zu untersuchen", sagte Studienautor Thomas.

Dazu untersuchten sie ein Jahr lang Zellen aus der Mundschleimhaut von 20 Testpersonen. Diese mussten an einem bestimmten Tag im Monat alle drei Stunden ihren Mund kräftig mit Wasser ausspülen und dieses samt den darin enthaltenen Zellen aus der Mundschleimhaut in speziellen Röhrchen einfrieren.

Die Rhythmen der Fettsäuren

Die Analyse der Zellen zeigte klar tageszeitabhängige Rhythmen bei elf verschiedenen Fettsäuren. Einige waren nachts in höheren Mengen vorhanden, andere eher tagsüber. Dabei handelt es sich nicht um minimale Schwankungen, sondern durchaus im Prozentbereich, "wobei das kommunizierende Gefäße sind: Wenn sich die Menge einer Fettsäure ändert, müssen sich jene aller anderen ebenfalls verändern", sagte Ruf.

Die Veränderungen in den Zellmembranen fanden bei allen Personen immer ungefähr zur gleichen Tageszeit statt. "Es ist ein klarer Rhythmus sichtbar", so Ruf. Anders als bei Tieren zeigte sich dagegen bei den Menschen kein klarer jahreszeitlicher Rhythmus im Fettsäuremuster. Rund die Hälfte der Testpersonen hatte zwar periodische Schwankungen über das Jahr, diese waren aber nicht synchron. Bei manchen Probanden war eine Fettsäure im Frühjahr oder Sommer erhöht, bei anderen hatte diese im Herbst oder Winter ihr Maximum.

Die Wissenschafter führen die nicht ausgeprägten jahreszeitlichen Veränderungen auf den abnehmenden Einfluss der Jahreszeiten auf den Körper zurück. Künstliches Licht und Heizungen mildern äußere Einflüsse wie Temperatur oder Tagesdauer.

Zusammenhang mit anderen Schwankungen

Die nun festgestellten tageszeitlichen Rhythmen bei der Fettsäure-Zusammensetzung könnten im Zusammenhang mit anderen Rhythmen im Körper stehen, sagte Ruf unter Hinweis auf Schwankungen etwa des Blutdrucks, der Herzfrequenz oder der Stoffwechselrate über den Tag. Möglicherweise werden diese Schwankungen durch die Veränderungen in der Zellmembran verursacht.

Diese Membranen bestehen aus einer Doppelschicht Fettsäuren, darin eingebettet sind verschiedene Proteine, die beispielsweise als Pumpen fungieren. "Man weiß, dass die Fettsäuren die Aktivität dieser Pumpen verändern, die für gut ein Drittel der Grundstoffwechselrate verantwortlich sind", sagte Ruf. Durch die Veränderung des Fettsäuremusters könnte also die Aktivität dieser Pumpen reguliert und so etwa während der Aktivitätsphase für eine höhere Stoffwechselrate gesorgt werden.

Die Fettsäuren-Komposition könnte aber auch gesundheitliche Auswirkungen haben und eine Erklärung dafür sein, warum bestimmte Krankheiten und Todesfälle zu bestimmten Tageszeiten häufiger auftreten, Herzinfarkte etwa in der Früh deutlich häufiger als abends. (APA, 10.7.2015)