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Mitte 2016 dürfte sich das Schicksal der Lumia-Reihe wohl endgültig entscheiden.

Harte Entscheidungen und einen schärferen Fokus hat der neue Microsoft-Chef Satya Nadella vor wenigen Wochen angekündigt – und Ernst gemacht. 7.800 Stellen werden im Konzern gestrichen und zwar zu Lasten der einst noch unter Steve Ballmer zugekauften Gerätesparte von Nokia. Microsoft Mobile, so der neue Name der Abteilung, ist kaum noch mehr als eine Marke. Ähnlich sieht es auch bei Windows Phone aus, das sich trotz jahrelanger Anstrengungen nicht zu einer starken Nummer 3 am Markt der mobilen Betriebssysteme mausern konnte.

Freilich: Microsoft liefert immer Vorschauversionen der Smartphone-Ausgabe von Windows 10 aus. Eine unmittelbare Einstellung der Entwicklung ist also nicht zu befürchten. Doch, so befindet Microsoft-Kenner Paul Thurrott, all zu viele Hoffnungen sollte man sich nicht machen. Der Konzern plant seine Zukunft wohl ohne relevantem Platz für ein eigenes mobiles Betriebssystem.

Das Nokia-Desaster

Das Nokia-Experiment war für die Redmonder teuer. Zusätzlich zu den 7,2 Milliarden Dollar, die die Übernahme einst kostete fallen 7,6 Milliarden an Abschreibungen an, dazu ist mit Restrukturierungskosten in der Höhe von 750 bis 850 Millionen Dollar zu rechnen. Ein finanzielles Desaster, selbst für ein riesiges Branchenschwergewicht.

Versuchten Ballmer und der einstige Nokia-Chef Elop noch, Windows-Handys um jeden Preis zu pushen, konzentriert sich Nadella auf Dienste. Statt einem eigenständigen Smartphone-Geschäft will er das Windows-Ökosystem ausbauen, längst nicht nur auf den eigenen Geräten. Eine Reihe von Apps, darunter auch Umsetzungen der Office Suite, mit der man lange die eigenen Hardwareverkäufe antreiben wollte, gibt es mittlerweile auch für iOS und Android

Handy-Geschäft lebt kurzfristig weiter

Drei Zielgruppen für das eigene Smartphone-Geschäft hat der Neo-CEO benannt. Geschäftskunden, denen Management-Tools, Sicherheit und Produktivitätslösungen fürs Büro ein Kernanliegen sind, Käufer von günstigen Smartphones in den Schwellenmärkten, die vor fleißig Kommunikations-Apps nutzen und Windows-Fans, die Highend-Geräte haben wollen.

Allerdings handelt es sich explizit um Pläne für die – Zitat Nadella -"nahe Zukunft", betont Thurrott in seiner Analyse. Und in keiner der drei Kategorien hat Microsoft realistische Chancen, mit seiner eigenen Hardware gewinnträchtig zu arbeiten.

Kein Profit durch eigene Hardware

Interessanter sind die Darlegungen für die langfristige Zukunft. Nadella will "Innovation hervorbringen, neue Gerätekategorien schaffen und Chancen für das Windows-Ökosystem auf breiter Basis schaffen". Es geht um mobile Benutzererfahrung auf allen Geräten, inklusive Smartphones. Microsoft plant gar nicht erst, mit seiner Hardwareabteilung jemals Geld zu verdienen, interpretiert Thurrott.

Viele Microsoft-Kunden nutzen heute schon kein Windows Phone und werden das auch in Zukunft nicht tun – ein Umstand, dem sich das Unternehmen mittlerweile bewusst zu sein scheint.

Schlechte Aussichten

Microsoft wird also die Breite seines Lumia-Handy-Portfolios drastisch zurückschrauben und zum Launch der Mobilausgabe von Windows 10, die noch keinen Releasetermin hat und deutlich nach der Desktopversion starten wird, wohl neue Smartphones herausbringen. Dann, so erwartet Thurrott, wird man in Redmond genau beobachten, wie sich die Mobiltelefone im laufenden Finanzjahr schlagen. Dieses endet im Juni 2016.

Der Microsoft-Kenner, der Windows Phone nach wie vor für ein sehr gutes Betriebssystem hält, gibt sich hier aber pessimistisch. Er erwartet einen weiteren Rückgang des Marktanteils, nachdem dieser zuletzt weltweit auf drei Prozent gesunken ist. Hebt Windows 10 auf Smartphones bis Mitte 2016 nicht ab, wird Microsoft das Herstellen von Smartphones wohl anderen Anbietern überlassen und die Lumia-Marke einstampfen. Und ohne der Reihe, die für über 90 Prozent aller Windows Phone-Verkäufe verantwortlich zeichnet, stehen die Aussichten sehr schlecht.

Entspannter letzter Ritt

Trotzdem rät er Windows Phone-Freunden, sich zu "entspannen". "Kurzfristig wird sich nichts ändern und zumindest haben wir ein paar Flagship-Geräte, auf die wir uns freuen können", meint Thurrot. "Aber haltet eure Augen offen und passt auf. Dieser Ritt könnte schneller enden, als wir gehofft haben." (gpi, 10.07.2015)