Vater und Tochter in Verdis "Rigoletto" : Daniela Fally und Domenico Balzani.


Foto: Lukas Beck

Klosterneuburg – Ist der Sommer da, freut man sich auf Klosterneuburg und die Opernfestspiele. Die (von Wien aus kurze) Anreise mit der Franz-Josefs-Bahn, der sanfte Aufstieg zum Stift, die Spielstätte in dessen frisch renoviertem, barockem Innenhof: fein. Fein, samtweich und delikat ist auch der Sound der Sinfonietta Baden im himmelsoffenen Innenhof, nur einmal tscheppert das Becken so richtig los. Dirigent Christoph Campestrini mag frische Tempi und elegante weiße Sakkos.

Man gibt heuer Rigoletto, Verdis dramatische Oper. Der Hofnarr ist wohl die komplexeste und auch ungewöhnlichste Hauptfigur im Werk des Italieners: Der König der Spötter ist ein nicht nur körperlich versehrter Mensch, Verletzender und Verletzter zugleich, gefangen und zerrieben im Zwischenbereich von Buckeln und Treten. Domenico Balzani deutet als Ersatz für den indisponierten Paolo Rumetz die seelischen Blessuren der Figur in der Dienstagsvorstellung nur an; gesanglich fühlt sich der Italiener mit seinem hellen, heldisch-agilen Bariton in der impulsiven Vorwärtsbewegung wohl, scheut aber fast panisch alles Lyrische, Langatmige.

So harmoniert Balzani im Duett mit Daniela Fally, die als seine Bühnentochter Gilda ihre Gesangskleinodien gern in aller Gemächlichkeit und Gemütsruhe präsentiert, nur begrenzt. Fallys fast künstlich-perfekter Sopran passt gut zu ihrer puppenhaften Darstellung der Figur. Ganz grabschender Draufgänger ist Arthur Espiritu als Duca di Mantua, zudem singt der philippinisch-amerikanische Tenor auch kraftvoll und viril, ohne Geschmeidigkeit und Nuanciertheit zu vernachlässigen. Solide Ievgen Orlov als Monterone und Luciano Batinic als Sparafucile, primär sexy Ilseyar Khayrullova als Maddelena, so schön wie schwungvoll Thomas Weinhappel als Marullo.

Umwerfendes Ereignis: der Chor

Zum umwerfenden Ereignis auf sängerischem Gebiet wird der Chor der Oper Klosterneuburg (Einstudierung: Holger Kristen). Hat man den "Zitti, zitti"-Chor je so delikat und dynamisch differenziert gehört? Nein. Regisseur Thomas Enzinger hat die Choristenschaft auch wundervoll lebendig und lebensnah gestellt; konträr dazu kreiert der Wiener jedoch musicalhaft überdrehte Nebenfiguren (Bettina Schweiger als Giovanna).

Auch ein Damenquartett, welches mal als Engel à la Victoria's Secret agiert, mal als Bühnenarbeiter mit vogelartigen Zeitlupenbewegungen und Knochenschädeln Höhepunkte der Bizarrerie beschert, stellt keinen Geniestreich der Regie dar. Leicht kitschnah auch das Bühnenbild mit Säulen und Wölkchen von Toto: Wenn Harald Glööckler eine Villa auf Mykonos hätte, so würde sie in etwa ausschauen. Die Frauenfiguren tragen schwer an ihren ausufernden Perücken, aber die rot-schwarzen, historisch inspirierten Kostüme des Chors sind eine Pracht. Begeisterung an einem lauen Hochsommerabend. (Stefan Ender, 8.7.2015)