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Kurze Hosen müssen in manchen Schulen Deutschlands draußen bleiben.

Foto: Stephanie Pilick/dpa

Man muss kein Modeexperte sein, um zu erkennen: Schick ist was anderes. Das T-Shirt ist weinrot, ziemlich groß und schlabbert schlanken Mädchen um den Körper. Und dennoch: Wer an der Werkrealschule in Horb-Altheim (Baden-Württemberg) in diesen heißen Tagen nicht adäquat gekleidet zum Unterricht kommt, der muss eines dieser Schul-T-Shirts überziehen.

Was aber heißt adäquat gekleidet? Darüber debattiert gerade ganz Deutschland.

Angefangen hat es mit irritierten Lehrern und Lehrerinnen. Tag für Tag standen sie in Horb-Altheim Schülerinnen gegenüber, die einem Pin-up-Kalender entstiegen zu sein schienen: bauchfrei, Hotpants, je kürzer, desto besser. Schulleiterin Bianca Brissaud hatte damit eigentlich kein Problem, doch das Lehrerkollegium drängte zum Handeln.

Zu aufreizend

Also verschickte die Schule einen Elternbrief (siehe Infokasten), in dem eine "künftige Kleiderordnung" festgelegt wurde. Darin heißt es: "In letzter Zeit müssen wir gehäuft feststellen, dass Mädchen der Werkrealschule sehr aufreizend gekleidet sind. (…) Wer zu aufreizend gekleidet ist (zum Beispiel bauchfreies Shirt, Hotpants ...), der bekommt von der Schule ein großes T-Shirt gestellt, das er/sie sich bis zum Schultagsende anziehen muss."

Die Maßnahme sprach sich natürlich blitzschnell herum. Zu Wort meldete sich Anne Wizorek. Sie hatte 2013, nachdem sich der ehemalige FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle angeblich einer "Stern"-Reporterin in ungebührlicher Weise genähert hatte, unter dem Hashtag #aufschrei eine Sexismusdebatte im Netz angestoßen. "#hotpantsverbot zielt bei durchschnittlichen 30° allein auf Mädchenkleidung ab. So viel zu gesellschaftlichen Werten ...", schreibt die Aktivistin nun. Auch andere äußerten sich kritisch gegenüber den Regeln aus der Realschule. So twittert Martin Delius, Chef der Piraten-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus:

Kritik und Zustimmung

"Wer sich nicht zurückhalten kann, wenn junge Frauen #hotpants tragen, kann sich immer noch präventiv selbst anzeigen." Und eine "Jenny" meint: "Die Sittenwächter wollen jetzt scheinbar #Hotpants an Schulen verbieten. Liebe 'Wertkonservative': Gott hat uns nackt erschaffen!"

Doch es gibt natürlich auch die Gegenstimmen. So schreibt Marlene auf der Facebook-Seite des "Schwarzwälder Boten": "In der Schule ist man zum Lernen und nicht zum 'Hängen' und 'Chillen', das sollte auch die Kleidung ausstrahlen. Deswegen gehören, genauso wenig wie Jogging- oder Tainerhosen, Hotpants nicht in den Unterricht." Sarah regt an: "Deswegen wären Schuluniformen von Vorteil, und keiner wird benachteiligt." Dazu fällt anderen allerdings wieder das Stichwort "Nordkorea" ein.

Detaillierter Dresscode in Hüsten

Die Schule im Schwarzwald ist nicht die einzige, die sich mit Kleiderregeln herumschlägt. An einem Würzburger Gymnasium sind nicht nur Hotpants und bauchfreie T-Shirts verpönt, sondern auch ärmellose T-Shirt für junge Männer. In Pforzheim (Baden-Württemberg) schickt ein Schulleiter ebenfalls Schülerinnen nach Hause, die in sehr knappen Shorts zum Unterricht erscheinen.

Die Realschule in Hüsten (Nordrhein-Westfalen) gibt auf ihrer Homepage einen recht detaillierten Dresscode zum Besten, damit "wir alle gemeinsam den Sommer genießen" können:

  • Der Brustansatz muss verdeckt sein (keine Spaghettiträgertops und trägerlosen Tops).
  • Kurze Hosen und Röcke müssen mindestens die Hälfte der Oberschenkel bedenken.
  • Die Unterwäsche muss verdeckt sein (bei Mädchen und bei Jungen).
  • Aufdrucke auf T-Shirts sollten keinen persönlich angreifen.
  • Der Bauchnabel muss bedeckt sein.

Aufregung um Elternbrief

Grundsätzlich darf ein Schulleiter an einer öffentlichen Schule in Deutschland seine persönlichen Bekleidungsvorlieben nicht zur allgemeinen Regel erklären, da die Schülerinnen und Schüler das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben. Es sei denn, der Unterricht oder die Ordnung in der Schule sind gefährdet. Das natürlich ist Auslegungssache.

Für Aufregung im Netz sorgte auch ein Elternbrief des Wilhelm-Diess-Gymnasiums in Pocking (Bayern). Auch in diesem werden die Erziehungsberechtigten der Schülerinnen vor allzu freizügiger Kleidung gewarnt. Denn in Pocking gibt es auch eine Unterkunft für Asylbewerber. Also steht im Infoschreiben: "Da unsere Schule in direkter Nachbarschaft ist, sollte eine zurückhaltende Alltagskleidung angemessen sein, um Diskrepanzen zu vermeiden. Durchsichtige Tops oder Blusen, kurze Shorts oder Miniröcke könnten zu Missverständnissen führen." Dass Schulleiter Martin Thalhammer auch dazu aufrief, den Flüchtlingen gegenüber respektvoll aufzutreten und Unterstützung anzubieten, "denn alle Kinder/Menschen verdienen eine Zukunft", ging dabei unter. (Birgit Baumann aus Berlin, 10.7.2015)