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Erhitzte Städter auf der Suche nach kühlem Nass: In den kommenden Tagen wird das ein wiederkehrendes Motiv in Wien sein. Im siebenten Wiener Gemeindebezirk wurde zum Beispiel ein Brunnen zum Bad umfunktioniert.

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Mehr Begrünung und offene Wasserflächen sollen Hitzeinseln in der Wiener Stadt reduzieren.

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Wien – Österreich steht ein extremes Wochenende bevor: Am Samstag erreicht die Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 38 Grad einen vorläufigen Höhepunkt. Danach ziehen teilweise heftige Gewitter auf. Von einem Hitzetag wird gesprochen, wenn die Tagestemperatur die Marke von 30 Grad Celsius überschreitet. Zwischen 1961 und 1990 gab es in Wien rund 9,6 Hitzetage pro Jahr. 2010 stieg dieser Wert auf 15,2.

In der dicht bebauten Stadt ist es im Hochsommer noch heißer als am Stadtrand. Wie die Aufzeichnungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik zeigen, kann die Temperaturdifferenz zwischen Innerer Stadt und den Randbezirken vier bis für fünf Grad betragen. Die Umweltschutzabteilung MA22 hat mit Wissenschaftern den "Urban Heat Islands Strategieplan Wien" (UHI-STRAT Wien) entwickelt, um Hitzeinseln zu reduzieren. Neue Stadtteile sollen auch unter diesem Gesichtspunkt geplant werden. In der Seestadt soll es zum Beispiel keine Straße ohne Baum geben, informiert die MA 22.

Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die urbane "hot spots" verstärken: Vor allem Gebäude und versiegelte Oberflächen speichern die Energie stärker als natürliche Oberflächen. Bebaute Flächen wirken als Barriere für den Luftaustausch und blockieren das "kühle Lüfterl" aus den umliegenden Wäldern und Landflächen. In der Nacht kühlt es kaum ab. Dazu kommt die Abwärme aus Betrieben, Klimaanlagen und Autos.

Kühles Grün

Abhilfe schaffen märchenhaft verwachsene Mauern: Bei begrünten Fassaden wird die Umgebung durch Verdunstung gekühlt. "Beispiele sind die Außenmauern der MA-48-Zentrale am Margaretengürtel oder der Bezirksämter in Margareten, Hernals und der Josefstadt", sagt Georg Patak von der MA 22. Auch private Gebäude wurden in Kooperation mit der Stadt Wien begrünt, so etwa das Dach am Bürogebäude BC 20.

Die Initiative "Progreencity" untersucht die Auswirkungen von Fassadenbegrünungen in mehreren Städten, um eine Grundlage für eine flächendeckende Begrünung Europas zu liefern. In Wien werden die Effekte im östlichen Teil der Mariahilfer Straße mithilfe von Computersimulationen erforscht. Dazu wurde die aktuelle Situation der Bebauung erfasst. Danach wurden für einen Hitzetag im August 2013 zwei Szenarien simuliert: Der erste Fall zeigt das Mikroklima im aktuellen Zustand auf einer 3-D-Karte, der zweite analysiert die Situation, wenn an allen Fassadenoberflächen, außer in den Innenhöfen, Begrünungen angebracht werden.

Auf der Mariahilfer Straße ergibt sich demnach während der Sonneneinstrahlung eine deutliche Reduzierung der gefühlten Temperatur. Während des Morgens und des Abends gibt es aufgrund der längeren Verschattung durch die Vegetation kühlende Effekte.

Künstlich geschaffener Wald

Anlass der Simulation war die Erweiterung des Mikroklimamodells "ENVI-met", das gibt Architekten und Städteplanern ein Werkzeug, um die Auswirkungen von baulichen Veränderungen auf das Stadtklima zu erkennen.

Bernhard Scharf von der Boku Wien hat am Projekt mitgearbeitet. Der Ingenieurbiologe hat zudem das Bepflanzungskonzept für den Österreich-Beitrag bei der Expo in Mailand entwickelt: In einem künstlich geschaffenen Wald fühlt sich die Temperatur um fünf Grad niedriger an als in der Umgebung. Im Pavillon können Besucher spüren, was die Kombination von Natur und Technik mit heutigem Wissen ermöglicht, so Scharf.

"Die EU-Kommission hat den Wert dieses Naturkapitals erkannt", sagt der Wissenschafter. Grüne Infrastruktur soll EU-weit weiterwachsen. (july, 17.7.2015)